Atmende Fabrik

Die „Atmende Fabrik“, auch Atmendes Unternehmen genannt, ist ein relativ junger Begriff, der in den letzten Jahrzehnten aufkam, um ein besonders flexibles Unternehmen zu bezeichnen, das seine Arbeitsleistung auf Produktivität bei Nachfrage ausrichtet. Besonders in der Automobil- und Technikbranche wird die Atmende Fabrik verstärkt als Ideal gesehen, das auch den Arbeitnehmern deutlich zugute kommen soll. Die Flexibilität der Arbeitszeiten steht dabei im Vordergrund des Vorhabens der Optimierung. Der ursprüngliche Begriff wurde 1996 erstmals von Peter Hartz genutzt, der damals als Arbeitsdirektor der VW AG tätig war.

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Atmende Fabrik als neues Leitbild

Als in den 1990er-Jahren die Arbeitszeitenregelungen vielerorts auf ein Niveau von vor 1918 gehoben wurde und aus dem gesetzlich geregelten 8-Stunden-Tag in einigen Branchen wieder die 42-Stunden-Woche wurde, war ein Umdenken notwendig. In vielen Gegenden war zu dieser Zeit die 35-Stunden-Woche als moderne Regelung bereits Realität. Zeitgleich zu den Erhöhungen der Arbeitszeit wurden durch die neuen Technologien die Arbeiter ohnehin immer produktiver, auch bei verknapptem Aufwand. Sie erwirtschafteten also in der 35-Stunden-Woche ohnehin das vielfache, als sie es in den 1900ern in über 40 Stunden getan hatten. Im Jahr 2000 erwirtschaftete ein Arbeiter das Sechsfache an Gütern und Dienstleistung wie er es noch 1900 getan hatte innerhalb der gleichen Arbeitszeit.

Für die Automobilindustrie führte Peter Hartz daher den Begriff Atmende Fabrik ein, um zu verdeutlichen, wie ein Unternehmen sich durch flexible Arbeitszeiten besser an der Nachfrage orientieren kann. Das für Arbeiter in der Produktion belastende Schichtsystem wurde um diese Komponente ergänzt. Die Atmende Fabrik sollte sich ursprünglich ausschließlich an der Auftragslage orientieren und die gegliederte Arbeitswoche aufbrechen. Außerdem sollte so ein Mehrwert für den Kunden durch die Produktion tatsächlich nachgefragter Modelle statt Massenanfertigungen erreicht werden. Das Konzept wurde später auch von Technikfirmen übernommen, allerdings zumeist nur von Unternehmen umgesetzt, welche tatsächlich in Deutschland produzieren.

Nutzen für Unternehmen und Kritik

Der Flexibilität des Unternehmens als Atmende Fabrik steht arbeitsrechtlich und moralisch die Flexibilität der Arbeiter entgegen, die innerhalb des Atmenden Unternehmens selbst nur schwer planen können. Eine erhöhte Produktion durch einen lohnenden Großauftrag bedeutet Arbeit an Wochenenden und Feiertagen, eine Verschiebung von Urlaubstagen und psychischen Druck, an den Stoßtagen nicht durch Krankheit auszufallen. Möglich wird diese Belastung rechtlich überhaupt erst durch besondere Arbeitsverträge, die dem Unternehmen die Flexibilität des Arbeitnehmers zusichern.

Auch junge Unternehmen und Start-Ups stellen die Flexibilität der Arbeitnehmer immer wieder als positives Merkmal der Zusammenarbeit heraus. Tatsächlich gefährden „Homoffice-Tage“, ungeplante Nachtarbeit und zusätzliche Schichten durch die „Atmende Fabrik“ jedoch das Recht des Arbeitnehmers auf einen Feierabend und die Trennung von Job und Privatleben.

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