01. Mrz 2020 | Unternehmenssteuerung
Wer einen Arbeitsunfall erleidet, steht einerseits vor der großen Aufgabe, möglichst schnell und vollständig wieder gesund zu werden. Darüber hinaus ist es möglicherweise notwendig, sich über berufliche Alternativen Gedanken zu machen, wenn der ursprüngliche Job nicht mehr ausgeführt werden kann. Darüber hinaus sind versicherungsrechtliche Fragen zu klären. Ein solcher Vorfall ist mit einem nicht unerheblichen bürokratischen Aufwand verbunden. Welche Möglichkeiten zur Rehabilitation gibt es oder wie gelingt der Weg zurück in den Berufsalltag am besten? Unser Ratgeber zeigt, auf was geachtet werden muss und informiert über das beste Vorgehen.
Auch wenn Sicherheitsvorschriften und betriebliches Gesundheitsmanagement für immer bessere Arbeitsbedingungen sorgen, ist keiner vor einem Arbeitsunfall gefeit. Meist genügt eine kleine Unaufmerksamkeit und schon ist es passiert. Stolpern, Ausrutschen oder Stürzen (sogenannte SRS-Unfälle) zählen laut Statistik zu den häufigsten Ursachen.
Auch Personen, die nicht in einem offensichtlich gefährlichen Beruf tätig sind, können betroffen sein. Auch Unfälle auf dem Arbeitsweg zählen beispielsweise als Arbeitsunfall. Das richtige Vorgehen im Fall der Fälle schützt vor unerwünschten Folgekosten oder unnötigen gesundheitlichen Einschränkungen.
Wie bei jedem Unfall sollte auch auf der Arbeit die übliche Rettungskette als Orientierung für das schrittweise Vorgehen zu Rate gezogen werden. Zu den Sofortmaßnahmen zählt beispielsweise das Sichern der Unfallstelle oder das Bergen aus der Gefahrenzone. Als nächstes sollte ein Notruf abgesetzt werden. Diese Informationen sind dabei wichtig:
Je nachdem, wie lange es dauert, bis der Rettungsdienst oder ein Sanitäter aus dem Betrieb zur Stelle ist, können weitere Hilfeleistungen wie die Ruhigstellung von Knochenbrüchen angebracht sein. Danach übernehmen die Profis die Versorgung des Verunfallten und entscheiden über das weitere Vorgehen.
Egal ob der Unfall auf dem Betriebsgelände oder unterwegs stattgefunden hat, sollte auch der Vorgesetzte oder der Chef informiert werden. Unter Umständen ist auch ein Anruf bei den Angehörigen sinnvoll.
Nicht nur Unfälle, die sich im direkten Zusammenhang mit der Tätigkeit ergeben zählen als Arbeitsunfall. Auch Wegeunfälle gehören hier mit dazu. Die Abgrenzung ist gesetzlich klar definiert. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, welche Versicherung für notwendige Leistungen und anfallende Kosten aufkommen muss.
Wann gilt die gesetzliche Unfallversicherung?
Die gesetzliche Unfallversicherung springt ein, wenn verschiedene Kriterien dabei gegeben sind:
Da Wegeunfälle einen großen Teil der gesamten Arbeitsunfälle ausmachen, versuchen verschiedene Berufsverbände seit einiger Zeit, diesen Punkt aus der gesetzlichen Unfallversicherung auszuschließen. Damit könnte eine nicht unerhebliche Beitragsminderung erzielt werden. Private Unfallversicherungen – soweit vorhanden – müssten dann für die Kosten aufkommen.
Ist die verletzte Person durch den Unfall anschließend länger als drei Tage krankgeschrieben, ist der Arbeitgeber je nach Branche zu einer Meldung bei der zuständigen Berufsgenossenschaft (BG) verpflichtet. Diese staatlichen Verbände sind für bestimmte Berufsgruppen die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und darüber hinaus zuständig für Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit bei der Arbeit.
Die ordentliche Meldung ist sehr wichtig, damit der Patient vor möglichen Fehleinschätzungen, etwa durch Spätfolgen geschützt wird. Bei schweren Unfällen ist zudem die Gewerbeaufsicht oder eine entsprechend zuständige Aufsichtsbehörde zu informieren.
Derzeit gibt es in Deutschland neun verschiedene Berufsgenossenschaften, die sich je nach Branche um die jeweiligen beruflichen Besonderheiten kümmern. Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung werden für ihre Angestellten in voller Höhe von den Arbeitgebern getragen.
Die genaue Dokumentation des Unfallhergangs ist wichtig für den gesamten weiteren Ablauf. Auch andere Mitarbeiter, die etwa Zeugen des Vorfalls waren, kommen hier ins Spiel. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, hier nach bestimmten Vorgaben Informationen zu sammeln, die Aufschluss über die Unfallursache geben können. Dafür stehen standardisierte Formulare zur Verfügung. Neben dem Verunfallten und dem Arbeitgeber müssen noch weitere Personen zur Aufklärung des Unfallhergangs aktiv beitragen:
Weniger schwere Unfälle werden beispielsweise im sogenannten Verbandbuch dokumentiert. Treten unvorhergesehene gesundheitliche Spätfolgen auf, dienen diese Aufzeichnungen als Nachweis für die Berufsgenossenschaften. Der Arbeitgeber und der Verletzte sind verpflichtet zur Aufklärung der Unfallursache beizutragen.
Transporte zu einem Arzt oder ins Krankenhaus sollten möglichst nicht selbst durchgeführt, sondern dem Rettungsdienst oder einem Krankentransport überlassen werden. Auch hier spielt die Haftung durch die gesetzliche Unfallversicherung eine Rolle.
Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss wie im Krankheitsfall spätestens nach drei Kalendertagen beim Arbeitgeber eingehen. Für den Zeitraum von sechs Wochen übernimmt der Betrieb dann weiterhin die Zahlung des Lohns.
Danach springt die zuständige BG mit einer entsprechenden Lohnfortzahlung ein. Durch die Versicherung bei der gesetzlichen Unfallversicherung besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Krankengeld. Dies unterscheidet sich jedoch in der Höhe.
Um Lohneinbußen zu vermeiden, können Arbeitnehmer sich durch das Abschließen einer zusätzlichen Versicherung absichern. Mit einer privaten Unfallversicherung oder einer Police zu Krankentagegeld können die monatlichen Zahlungen dann aufgestockt werden.
Der Arzt, der den Patienten als erstes versorgt, muss im Falle eines Betriebsunfalls ebenfalls wichtige Dinge zum Unfallhergang dokumentieren. Auch diese Unterlagen werden an die Berufsgenossenschaft weitergeleitet.
Einige BGs unterhalten eigene Kliniken und Krankenhäuser, die sich auf die Behandlung von Arbeitsunfällen der jeweiligen Branche spezialisiert haben. Bei den Unfallkrankenhäusern liegt der Schwerpunkt im chirurgischen Bereich der Notfallmedizin und einer anschließenden Therapie mit Rehabilitationsmaßnahmen. Auch Berufskrankheiten können dort fachgerecht behandelt werden. Derzeit gibt es im gesamten Bundesgebiet 13 solcher Einrichtungen, die sich unter dem Dachverband „Klinikverbund der gesetzlichen Unfallversicherung GmbH“ zusammengeschlossen haben.
Wenn der Weg nicht direkt in eine BG-Klinik führt oder zunächst ein anderer Arzt die Behandlung übernimmt, ist es notwendig, dennoch einen Durchgangsarzt zu konsultieren. Diese sind ebenfalls auf Arbeitsunfälle spezialisiert und kooperieren mit den zuständigen Berufsgenossenschaften. Sie sind zudem mit den speziellen notwendigen Formularen und Anträgen bei einem Arbeitsunfall vertraut und übernehmen die Koordination weiterer Maßnahmen und auch die spezielle Abrechnung mit der BG.
Die ausführlichen Aufzeichnungen des Durchgangsarztes dienen ebenfalls als wichtiges Dokument und kann im Streitfall als Beweismaterial dienen. Neben genauen Angaben zu den Verletzungen werden hier ebenfalls Hinweise zum Unfallhergang festgehalten.
Der Durchgangsarzt überprüft außerdem, ob ein Selbstverschulden, beispielsweise durch Alkoholeinfluss ausgeschlossen werden kann. Neben der Erst- oder Weiterversorgung wird ein detaillierter Unfallbericht erstellt, der verschiedene Angaben enthält:
Diese Informationen dienen der BG als Grundlage für die Übernahme der Behandlungs- und Rehakosten. Nach Abschluss der gesamten Behandlung, die sich je nach Schwere der Verletzungen über mehrere Monate oder gar Jahre hinziehen kann, muss nochmals der Durchgangsarzt konsultiert werden. Dann wird in einem Abschlussbericht festgehalten, ob eventuell weiterhin gesundheitliche Einschränkungen bestehen und wie damit umgegangen wird.
In manchen Fällen werden gewisse Einschränkungen zur Berufsfähigkeit festgestellt. Diese sind unter Umständen mit einer Rentenzahlung verbunden. Kann der bisherige Beruf nicht mehr ausgeübt werden, ist alternativ auch eine Umschulung möglich.
Bei größeren oder langwierigeren Verletzungen werden vom Durchgangsarzt direkt weitere Maßnahmen zur möglichst vollständigen Wiederherstellung der Gesundheit bestimmt. Im Anschluss an chirurgische Eingriffe oder als ergänzende Therapie kann beispielsweise Krankengymnastik dazu beitragen, die frühere Beweglichkeit und Leistungsfähigkeit wiederzuerlangen.
Je nach Verletzung ist es dabei möglich, verschiedene Rehabilitationsmaßnahmen miteinander zu kombinieren. Zur Heilbehandlung können etwa Massagen oder Trainingseinheiten mit einem Physiotherapeuten verschrieben werden. Das sogenannte Functional Training spielt bei vielen Rehamaßnahmen eine Rolle, da mit dieser Methode sehr gezielt Körperpartien trainiert und gestärkt werden können. Charakteristisch sind natürliche Bewegungsabläufe oder der Einsatz des eigenen Körpergewichts. Gelenke, Sehnen und Bänder werden dabei größtmöglich geschont.
Teil einer Rehamaßnahme ist es zudem, dem Patienten Übungen zu vermitteln, die auch über die Maßnahme hinaus selbst ausgeführt werden können. Für das Functional Training sind dabei meist nur wenige Hilfsmittel notwendig und es kann zusätzlich ohne großen Aufwand auch von zuhause ausgeübt werden.
Die Rehamaßnahmen finden ansonsten in speziellen Praxen oder Kliniken statt. Nach der ambulanten oder stationären Behandlung ist in manchen Fällen noch eine Anschlussrehabilitation (AR) notwendig – beispielsweise bei einem Schlaganfall. Eine Kur ist unter bestimmten Umständen ebenfalls hilfreich.
Nach der medizinischen Versorgung und Behandlung geht es in der Regel erst Schrittweise wieder in den Beruf zurück. Auch hier können verschiedene Rehamaßnahmen dabei helfen, in den Alltag zurückzufinden. Die Berufsgenossenschaften bieten dazu ebenfalls verschiedene Programme an:
Um den Körper nicht direkt wieder voll zu belasten, und eine mögliche Arbeitsunfähigkeit zu vermeiden, ist es oft notwendig den Wiedereinstieg schrittweise zu gestalten. Meist wird deshalb zu Beginn nicht im vollen Zeitumfang gearbeitet.
Hier hat sich das sogenannte Hamburger Modell durchgesetzt. Zunächst nur stundenweise, übernimmt der Patient nach und nach wieder mehr der ursprünglichen Tätigkeiten. Der Umfang wird dabei immer weiter gesteigert. In der Zeit der Wiedereingliederung werden laufende Kosten weiterhin von der Berufsgenossenschaft oder der Unfallversicherung getragen.
Der Arbeitgeber erhält auf diese Weise einen unentgeltlichen Mitarbeiter. Der Betroffene selbst ist weiterhin durch Kranken- oder Übergangsgeld abgesichert.
Wie schnell die Maßnahme abgeschlossen und vollständig in den Beruf zurückgekehrt werden kann, wird mit dem behandelnden Arzt abgeklärt. Grundlage für seine Entscheidung ist der Umfang der Verletzungen und der Verlauf der Rehabilitation. Der stufenweise Wiedereinstieg ist in vielen Fällen die beste Möglichkeit, wieder vollständig in den alten Beruf zurückzukehren.
Dennoch sind durch einen schwereren Unfall verschiedene Langzeitfolgen oft nicht zu vermeiden. Trotz umfangreicher Therapien ist es nicht immer möglich, die Gesundheit vollständig wiederherzustellen.
Auch dann können verschiedene Maßnahmen dabei helfen, im Alltag oder auch im Berufsleben wieder Fuß zu fassen. Die Berufsgenossenschaften sorgen hier vor allem darum, finanziell weiterhin abgesichert zu sein:
Wenn der ursprüngliche Beruf nicht mehr ausgeführt werden kann, ist die Teilnahme an einer Umschulung oder Weiterbildungsmaßnahme möglich. Auf diese Weise kann der Betroffene anschließend weiterhin für seinen Lebensunterhalt selbst sorgen, wenn die Wiedereingliederung in eine neue Arbeit gelingt.
Wird vom Arzt die Berufsunfähigkeit im bisherigen Tätigkeitsfeld bescheinigt, kann in Absprache mit der Berufsgenossenschaft und gegebenenfalls der Arbeitsagentur über Alternativen gesprochen werden. Nicht alle Berufsbilder eignen sich für eine Umschulung. Kann etwas Passendes gefunden werden, trägt die BG auch die Kosten für die neue Ausbildung.
Neben der körperlichen Regeneration ist häufig auch Hilfe im psychologischen Bereich notwendig. In manchen Fällen sind durch den Unfall Traumata entstanden, die ebenfalls zu einer Arbeitsunfähigkeit führen können. Vor allem chronischen Schäden kann durch eine gezielte Therapie entgegengewirkt werden. In manchen Fällen bringt auch eine mögliche körperliche Einschränkung gewisse psychische Belastungen mit sich.
Ob die Rehabilitationsmaßnahmen durch eine psychotherapeutische Behandlung unterstützt werden muss, entscheidet ebenfalls der Durchgangsarzt. Dabei kann die psychologische Betreuung dabei helfen, Zukunftsängste zu meistern oder den Umgang mit einer Erkrankung zu bewältigen.
Die größte Hürde mit dem meisten Aufwand besteht zu Beginn. Ist die Unfallmeldung korrekt und fristgerecht bei der BG eingegangen, dauert es meist nur wenige Tage, bis der Vorfall geprüft wird, und finanzielle Mittel für die anfallenden Kosten bewilligt werden.
Dauert die Krankschreibung länger als sechs Wochen, kann gegebenenfalls erneut ein Antrag auf Zahlung des Krankengeldes gestellt werden.
Besteht von Seiten der BG der Verdacht, dass der Unfall vorsätzlich oder selbstverschuldet entstanden ist, kann eine finanzielle Unterstützung auch versagt werden. In diesem Fall kann ein Rechtsanwalt für Arbeitsrecht eingeschaltet werden. Dieser prüft, ob eine Klage sinnvoll ist und kann rechtlichen Beistand leisten.
Schmerzensgeld wird bei einem Arbeitsunfall in den seltensten Fällen gezahlt, da es sich in der Regel keine grob fahrlässigen Umstände mit im Spiel sind, die der Arbeitgeber zu verantworten hätte.
Obwohl in der Regel alle Kosten von der Unfallversicherung übernommen werden, kann es vorkommen, dass verschiedene Kosten vorgestreckt werden müssen. So wird beispielsweise bei Orthesen in manchen Fällen ein Eigenanteil fällig, der jedoch zurückbezahlt wird.
Auch Kosten für Krankentransporte müssen unter gewissen Umständen zunächst selbst übernommen werden. Deshalb ist es wichtig, Taxirechnungen und alle anderen Belege aufzubewahren, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall anfallen. Sie können gesammelt an die Berufsgenossenschaft weitergeleitet werden, die sich dann um die Erstattung der Kosten kümmert.
Manche Arbeitnehmer sehen sich nach einem Betriebsunfall mit einer Kündigung konfrontiert. Dabei muss der Arbeitgeber jedoch ordnungsgemäß vorgehen und sich an die gesetzlichen Vorgaben halten. Auch in diesem Fall kann es sinnvoll sein, sich rechtlichen Beistand zu suchen und die Kündigung vom Anwalt prüfen zu lassen. Allein aufgrund einer künftigen körperlichen Einschränkung darf ein Arbeitnehmer nicht entlassen werden.
Problematisch ist hingegen, wenn beim Unfall Alkohol im Spiel war. Oftmals übernimmt in solchen Fällen die BG auch keine Zahlungen und der Arbeitgeber hat einen Grund dem entsprechenden Mitarbeiter zu kündigen. Wurden die Fristen jedoch berücksichtigt, besteht meist keine Möglichkeit, sich gegen die Kündigung zu wehren.