18. Nov 2019 | Buchhaltung
Nicht jeder Steuerbescheid enthält gut Nachrichten: Der eine löst Ächzen wegen unerwarteter Nachzahlungen aus, der andere bewirkt empörte Aufschreie, weil mit höheren Rückerstattungen gerechnet wurde. Ein Einspruch ist bei Unzufriedenheit eine legitime Möglichkeit. Aber Vorsicht: Wer sich nicht ganz sicher ist, ob nicht eventuell der Einspruch gegen den Steuerbescheid abgelehnt werden und man bei einer erneuten Prüfung der Sachlage selbst als schwarzes Schaf dastehen könnte, findet vielleicht am eigenen Leib heraus, was das unschön klingende Wort „Verböserung“ zu bedeuten hat.
Einen Steuerbescheid prüfen und ggf. Einspruch zu erheben, kann sich lohnen: Allein 2015 wurde in über 60% aller Einsprüche gegen Steuerbescheide zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden. Wenn du sicher bist, dass du dich in den Augen des Finanzamtes korrekt verhalten hast und der Fehler auf Behördenseite liegt: Dann solltest du tätig werden, ggf. mithilfe deines Steuerberaters.
Es gibt allerdings Fälle, in denen der Einspruch unerwartet nach hinten losging: Bei einem Einspruch kann das Finanzamt die Gesamtlage neu aufrollen und neben den beanstandeten Punkten auch den Rest deiner Finanzen erneut und gründlicher prüfen. Hat es bislang zum Beispiel deine Angaben zu geschäftlichen Fahrten im Firmenwagen einfach durchgewunken, könnte es jetzt genauer hinsehen und Nachweise verlangen: Kannst du nachweisen, dass du dein Auto wirklich mindestens zu 90% geschäftlich nutzt? Führst du, wie vorgeschrieben, über jede Fahrt ein Fahrtenbuch?
Würde das Finanzamt nach einem Einspruch deinerseits mit der Lupe hinsehen: Würde es irgendwo Unregelmäßigkeiten entdecken? Die Behörde hat dann die Möglichkeit, einen komplett neuen Steuerbescheid auszustellen – der sogar noch nachteilhafter für dich ist als der ursprüngliche.
Wenn das Finanzamt auf deinen Einspruch mit einer neuerlichen Prüfung reagiert und dein Steuerbescheid danach ungünstiger für dich ausfiele als vorher, dann sprechen Steuerkundige von der sogenannten Verböserung. Und die könnte auch dich treffen, wenn du einen sorglosen Umgang mit Finanzamt-Vorgaben nicht ausschließen kannst.
Eine Verböserung muss das Finanzamt erst einmal ankündigen, sie darf dich nicht unerwartet treffen. Wenn das geschieht, hast du immer noch eine Option auf Rückzug: Du kannst dann nämlich deinen Einspruch zurückziehen und den ursprünglichen Steuerbescheid akzeptieren.
Steuerpflichtige können das Finanzamt auch zu einer Korrektur bewegen, indem sie alternativ zu einem Einspruch gegen den Steuerbescheid eine Änderung beantragen. Ein Antrag auf Änderung des Steuerbescheids muss genau benennen, in welchen Aspekten dieser Fehler aufweist. Der Sachbearbeiter wird sich auf einen Änderungsantrag hin lediglich mit denjenigen Aspekten der Steuererklärung neu befassen, die der Steuerpflichtige in seinem Antrag angeführt und bemängelt hat.
Anders als bei einem Einspruch gegen den Steuerbescheid bewertet das Finanzamt bei einem Änderungsantrag nicht den vollständigen Steuerfall, sondern nur die beanstandeten Aspekte. Ist ein Antrag auf Änderung des Steuerbescheids gestellt, betrachtet das Finanzamt den Rest des ursprünglich ergangenen Bescheids als abgeschlossen. So vermeidet der Steuerpflichtige, dass sein Fall noch einmal komplett neu aufgerollt und im ungünstigen Fall andere Aspekte des Steuerbescheids nachträglich ungünstiger bewertet werden. Beschränkt sich der Steuerpflichtige durch seinen Änderungsantrag hingegen auf ausgesuchte Aspekte, die ein günstiges Ergebnis erwarten lassen, vermeidet er die erneute Überprüfung des gesamten Steuerbescheids mit den einhergehenden möglichen Überraschungen.
Die Voraussetzungen für die Änderung oder Aufhebung von Steuerbescheiden sind in der Abgabenordnung § 172 Abs 1 AO genau beschrieben. Demnach können Steuerpflichtige einen Antrag auf Änderung der Steuerfestsetzung stellen, wenn sie einen Fehler im Bescheid entdecken oder wenn sie in ihrer Steuererklärung eine Angabe falsch gemacht oder vergessen haben. Der Änderungsantrag kann also nicht nur gestellt werden, wenn das Finanzamt einen Fehler macht, sondern auch, wenn der Steuerpflichtige im Nachhinein einen Fehler in der eigenen Steuererklärung feststellt.
Ein Antrag auf Änderung des Steuerbescheids muss innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung des Steuerbescheids erfolgen. Im Antrag auf Änderung des Steuerbescheids müssen Steuerpflichtige genau diejenigen Aspekte der Steuererklärung bezeichnen, die falsch bewertet oder angegeben wurden. Wurde zum Beispiel in der Steuererklärung ein Posten vergessen, der zu Betriebsausgaben oder Werbungskosten gehört, kann dieser nachträglich in einem Änderungsantrag geltend gemacht werden. Das gilt auch, wenn das Finanzamt beispielsweise einen Posten nicht als betrieblich bedingt anerkannt hat. Der Antrag auf Änderung des Steuerbescheids ist nicht an eine Form gebunden und kann in einem einfachen Anschreiben an das Finanzamt formuliert werden.
Handelt es sich bei dem Fehler in der Steuererklärung um einen Rechen- oder Schreibfehler, der durch den Steuerpflichtigen beim Ausfüllen entstanden ist, gelten keine Fristen für die Korrektur. Denn das Finanzamt ist gehalten, Korrekturmeldungen für offenkundige Fehler in der Steuererklärung auch nach Ablauf der Einspruchs- oder Änderungsfrist noch zu berücksichtigen.
Hat sich das Finanzamt in seinem Steuerbescheid zu Gunsten des Steuerzahlers geirrt, muss dieser keinen Einspruch gegen den Steuerbescheid stellen, wenn er den Irrtum bemerkt. Denn für die Richtigkeit des Steuerbescheids tragen die Behörden alleinige Verantwortung. Demnach müssen Steuerpflichtige nicht nachprüfen, ob ihr Steuerbescheid Fehler enthält, die für sie vorteilhaft ausfallen. Dahingegen hat der Steuerpflichtige eine ausschließliche Verantwortlichkeit dafür, dass er seine Angaben in der Steuererklärung vollständig und richtig ausführt.
Bevor sich Steuerpflichtige mit einem möglichen Einspruch gegen den Steuerbescheid befassen, sollten sie ausreichende Vorkehrungen treffen, Unstimmigkeiten von vorne herein zu vermeiden. Bei der elektronischen Erstellung der Steuererklärung über Elster oder mit einem Steuerprogramm können Anwender ihre Angaben automatisch überprüfen lassen. Hierfür steht in den Programmen die Funktion „Überprüfung des Bescheids“ bereit. Die Bescheidprüfung erteilt Auskunft darüber, ob die Angaben und Beträge stimmig sind. Zudem ermöglicht Elster eine vorläufige Berechnung des Steuerbetrags, die auf den Angaben der Steuererklärung basiert. Mit diesen Werten können Steuerpflichtige sehr einfach Abweichungen feststellen, die der Steuerbescheid vom Finanzamt möglicherweise enthält. Vor einem Einspruch sollten Steuerpflichtige den Steuerbescheid in jedem Fall sehr gründlich prüfen.
Stellt der Steuerpflichtige fest, dass der Steuerbescheid Abweichungen von der elektronischen Berechnung oder andere Mängel enthält, die auf Fehler beim Finanzamt zurückzuführen sind, muss der Einspruch gegen den Steuerbescheid innerhalb von vier Wochen erfolgen.
Da der Einspruch gegen einen Steuerbescheid oder ein Änderungsantrag nicht automatisch auch eine Aussetzung der Forderung bewirkt, muss der Steuerbetrag auch dann bezahlt werden, wenn er falsch angesetzt wurde. Auch wenn ein Einspruch gegen den Steuerbescheid erfolgt, ist die Steuerforderung daher innerhalb der vorgegebenen Zahlungsfrist zu begleichen. Wird dem Einspruch später stattgegeben und eine Absenkung des Steuerbetrags festgesetzt, entsteht ein Guthaben. Dieses bezahlt das Finanzamt an den Steuerpflichtigen zurück, sobald der neue Steuerbescheid festgesetzt ist.
Möchte der Steuerpflichtige den fälschlicherweise festgesetzten Steuerbetrag nicht bezahlen, kann er eine Aussetzung der Vollziehung beantragen. Gestattet das Finanzamt die Aussetzung auf Vollziehung, wird die Zahlungspflicht gehemmt. Mit einer Aussetzung auf Vollziehung muss der Steuerpflichtige seine Steuerschuld erst dann bezahlen, wenn sein Einspruch gegen den Steuerbescheid geklärt ist.
Ist der Einspruch gegen den Steuerbescheid erfolgt und durch das Finanzamt abgelehnt worden, können Steuerpflichtige Klage erheben. Diese ist beim zuständigen Finanzgericht einzureichen. Für die Einreichung einer Klage sollte jedoch eindeutig erkennbar sein, dass der Fehler im Bescheid aus Seiten des Finanzamts liegt. Vor Einreichung der Klage sollte der Sachverhalt daher durch einen Fachanwalt genau geprüft und bestätigt werden.