07. Apr 2020 | Unternehmenssteuerung
Erfolgssyndrom – hinter diesem Begriff steckt nichts Positives. Denn gemeint ist, dass gute Leistung in vielen Unternehmen bestraft statt belohnt wird. Wer sich hervortut, wird mit immer mehr Arbeit zugeschüttet. Wer seine Aufgaben vor dem vereinbarten Zeitpunkt erledigt, darf sich nicht etwa Entspannung von dieser Anstrengung gönnen. Er bekommt stattdessen noch mehr aufgebürdet.
In jedem Team gibt es unterschiedlich effiziente Mitarbeiter. Die Stärksten laufen Gefahr, irgendwann die Aufgaben der schwächeren Kollegen gleich mit erledigen zu müssen – irgendwer muss es ja machen. Und Führungskräften ist es am Ende des Arbeitstages häufig vor allem wichtig, dass das Soll der gesamten Abteilung erledigt ist – ob die Aufgaben ungerecht verteilt waren oder nicht, ist für viele von ihnen zweitrangig.
Leistungsträger haben ein Ass im Ärmel: Sie sind gefragte Kräfte auf dem Arbeitsmarkt. Sobald sie merken, wie ungerecht die Aufgabenverteilung an ihrem Arbeitsplatz ist, werden sie das vermutlich nicht länger mitmachen und ihren Job kündigen. Anderswo sind sie auch gern gesehen – und die Führungskraft, die ihre Fähigkeiten bislang ungeniert ausgenutzt hat, wird künftig mit den schwächeren Teammitgliedern allein zurückbleiben. Spitzenleistungen im Team gehören dann der Vergangenheit an, und die aufwändige Suche nach neuen Mitarbeitern, deren Einarbeitung und Eingewöhnungszeit fressen wertvolle Ressourcen. Die hätten mit den ursprünglichen Leistungsträgern besser genutzt werden können – Chance vertan.
Das Erfolgssyndrom ist eine Fehlentwicklung, die kurzfristig den Leistungsträgern, aber langfristig den Unternehmen selbst noch viel mehr schadet. Im schlimmsten Fall droht dem betroffenen Mitarbeiter ein Burn-out. Führungskräfte und Unternehmensleitungen sind gut beraten, wenn sie erfolgreiche Mitarbeiter mit aller Anstrengung halten, statt sie immer stärker zu belasten und damit über kurz oder lang vertreiben. Erfolgszulagen zu zahlen, kann ein erster Schritt in die richtige Richtung sein. Aber Geld muss sich nicht als der beste Weg herausstellen. Immer mehr Menschen verstehen, dass eine ausgewogene Work-Life-Balance quasi unbezahlbar ist. Warum sollten effiziente Mitarbeiter, die besonders schnell arbeiten, nicht mit dem wertvollsten Gut belohnt werden, das die Gesellschaft zu bieten hat: freie Zeit?
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