05. Sep 2018 | Planen & Hilfen
Die sogenannte Niedrigzinsphase ist längst nicht mehr nur eine Phase, sondern vielmehr ein Dauerzustand geworden. Seit dem Beginn der Finanzkrise Ende 2007 haben sich die Zinsen kontinuierlich nach unten entwickelt. Das hat für alle beteiligten Konsequenzen. Für die Banken, die Volkswirtschaften und letzten Endes auch für den Verbraucher.
Die weltweite Bankenkrise in der Zeit zwischen 2007 und 2009 hatte deutliche Auswirkungen auf die Wirtschaft. Um die Krise abzuschwächen, einigten sich die großen Zentralbanken darauf, die Leitzinsen zu senken. Dazu gehören neben der Europäischen Zentralbank auch die amerikanische Notenbank sowie die Zentralbanken von Großbritannien und Japan. Diese Maßnahme ist nicht unüblich, in wirtschaftlich schwachen Zeiten werden die Folgen somit begrenzt. Die Dauer der derzeitigen Niedrigzinsphase hingegen ist alles andere als üblich, sondern vielmehr beispiellos in der bisherigen Geschichte. Seit 2008 ist der Leitzins von 4,25 Prozent auf heute nahezu 0 Prozent gesunken. Weiterhin ist die hohe Staatsverschuldung vieler Volkswirtschaften ein zusätzlicher Grund für die anhaltende Niedrig- / Nullzinspolitik. Um die Staatshaushalte der betroffenen Staaten zu schonen, helfen die niedrigen Zinsen hier den jeweiligen Haushalt einfacher zu konsolidieren. Alleine Deutschland kann durch die geringeren Schuldzinsen jedes Jahr zweistellige Milliardenbeträge einsparen.
Für den Verbraucher ergeben sich aus der Niedrigzinsphase Vorteile und Nachteile. Zunächst einmal sind klassische Sparmodelle wie Sparbuch oder Festgeldkonten für Kleinanleger heute kaum noch attraktiv. Die geringen Zinserträge für Sparer und Geldanleger sind die wohl offensichtlichsten Folgen für den Verbraucher. Wer sein Geld also zu den derzeitigen Konditionen auf einem Sparbuch „parkt“, macht langfristig einen Verlust. Durch diese Tatsache sinkt die Bereitschaft Geld zurückzulegen bei vielen Verbrauchern. Im Gegensatz zu früheren Jahrzehnten leidet darunter insbesondere die Altersvorsorge. Ein großer Vorteil für Verbraucher sind die derzeit sehr günstigen Privatkredite. In der Geschichte bislang einmalig: Banken und Finanzdienstleister haben in der Vergangenheit bereits negativ Kredite ausgegeben, bei denen Verbraucher weniger Geld zurückzahlen, mussten als sie durch den Kredit erhalten haben. Es herrscht ein regelrechtes „Wettrüsten“ um den günstigsten Kredit. Dennoch gibt es teilweise große Unterschiede zwischen den einzelnen Anbietern. Ein genauer Kreditvergleich ist somit unumgänglich. Aufgrund der derzeitigen Zinslage wird es für viele interessant, eine Immobilie auf Kredit zu erwerben, da diese als eine noch immer sehr sichere Geldanlage angesehen werden. Die Preise für Wohneigentum steigen in den letzten Jahren zudem kontinuierlich.
Auch die Wirtschaft versucht die EZB mit den günstigen Krediten anzukurbeln. Was in der Theorie jedoch gut klingt, ist in der Praxis deutlich komplizierter. Vor allem in Deutschland geht es den meisten Unternehmen derzeit so gut, dass sie ihren Kapitalbedarf selber finanzieren können. Unternehmen in anderen Ländern hingegen haben häufig wenig Wachstumspotenzial und haben gar keinen Bedarf an Krediten. Die Geldpolitik in Europa bleibt damit weiterhin nicht zielführend. Vor allem wird hier ein ganz großes Problem der allgemeinen europäischen Politik deutlich: Es werden einheitliche Maßnahmen für alle Mitgliedsstaaten beschlossen, die Volkswirtschaften der einzelnen Länder jedoch haben alle unterschiedliche Entwicklungen durchlaufen und benötigen eigentlich individuelle Lösungen.
Wenn die Zinsen weiterhin auf dem niedrigen Level bleiben, sind die Folgen unter Umständen gravierend. Regierungen verschuldeter Staaten haben somit wenig Anlass ihren Haushalt zu konsolidieren. Dringende Reformen könnten somit nicht angegangen werden, was die Lage langfristig verschlimmert. Weiterhin werden, wenn das Zinsniveau nicht ansteigt, zunehmend mehr private Anleger in Aktien oder Immobilien Investieren, was die Preise für diese wieder in die Höhe treibt. Nicht wenige Kritiker der aktuellen EZB-Politik sehen in Deutschland bereits eine Immobilienblase, bis diese platzt, sei es nur eine Frage der Zeit. Tatsächlich war auch der Auslöser der Finanzkrise im Jahr 2007 eine geplatzte Immobilienblase in den USA. Daher fordern Kritiker schon länger einen Anstieg der Zinsen, da die EZB ihre geldpolitischen Möglichkeiten lange genug und ohne nennenswerte Verbesserungen ausgereizt hat.
Wie lange die Zinsen noch auf dem derzeit niedrigen Niveau bleiben, kann nicht vorhergesagt werden. Politiker, Ökonomen, Talk Runden und andere Medien diskutieren diese Frage in regelmäßig kurzen Abständen. Eine Antwort hat man bislang nicht gefunden, auch, wenn unterschiedliche Konzepte für eine Veränderung vorgeschlagen werden. Bis vor wenigen Jahren war kaum ein Fachmann davon ausgegangen, dass sich die Situation derart lange halten kann, ständig wurde eine bevorstehende Zinswende prophezeit. Aktuell sieht es jedoch zumindest ein wenig danach aus, als könne diese Wende tatsächlich eingeleitet worden sein. Seit Anfang des Jahres hat die EZB ihre Anleihekäufe stark reduziert. Wie sich die Zinsen tatsächlich in den kommenden Monaten entwickeln werden, bleibt abzuwarten.