19. Sep 2018 | Experten
Als Paar erfolgreich ein Unternehmen gründen? Ralf und Hazel Ahamer von Head-on Solutions zeigen, dass es geht. Sie haben studiolution entwickelt, eine umfangreiche Kassen-, bzw. Terminplanungssoftware für Friseure, Kosmetiker, Praxen, Salons oder Studios. Im Interview erzählen uns die beiden mehr über ihr Startup.
Hallo Ralf und Hazel! Stellt euch und euer Unternehmen unseren Lesern doch bitte vor!
Hazel: Hallo! Schön, dass wir uns vorstellen dürfen. Wir haben studiolution entwickelt – eine Kassen- und Terminplanungssoftware für Friseure, Kosmetiker, Salons und Studios.
Wenn ich meiner Mama erklären müsste, was studiolution kann, würde ich es ihr so erklären: Jeden Morgen, wenn ein Friseur seinen Computer anmacht, sieht er sein digitales Terminbuch. Der Friseur braucht kein Papier-Terminbuch, Bleistift und Radiergummi mehr, sondern trägt Termine digital in unserer Software ein. Der Clou: die Termine lassen sich Kassieren. D.h. man braucht kein extra Kassensystem oder Taschenrechner mehr, sondern macht alles direkt im System. Außerdem kann man auch alle Kundendaten direkt im System eintragen. Das führt dazu, dass unsere Kunden z.B. ganz genau wissen wieviel Umsatz sie mit welchen Kunden machen. Diese Erkenntnisse würden sie mit Bleistift und Papier nur schwer herausfinden.
Ralf: Das besondere an unserer Software ist, dass sie viel mächtiger ist als ein herkömmliches Kassensystem. Studiolution ist eine Cloud-Lösung d.h. unsere Kunden können jeden beliebigen PC, Laptop, Mac oder Tablet verwenden. Außerdem lässt sich jede beliebige Hardware wie z.B. eine Kassenlade, Bondrucker und Barcode Scanner anschließen.
Hazel: Unser Ziel war es, ein komplettes Kassensystem zu entwickeln für wenig Geld, das trotzdem sehr umfangreich, aber einfach ist. Es gibt Funktionen wie z.B. eine Online Terminbuchung – jeder Kunde bekommt von uns eine Online Seite, auf der Endkunden Termine buchen können. Es gibt auch die Möglichkeit, SMS-Erinnerungen automatisch zu schicken z.B. 24 Std vor dem Termin, zum Geburtstag oder an eine bestimmte Zielgruppe.
Ralf: Außerdem bietet das Tool umfangreiche und clevere Statistiken und Finanzberichte. Somit können unsere Kunden ihre Finanzen, Umsätzen und Ziele immer im Blick behalten.
Hazel: (lächelt) – es gibt noch so viele andere Funktionen, die wir in der Software eingebaut haben wie z.B. eine Zeiterfassung für Mitarbeiter, ein Gutschein-System, E-Mail und SMS-Marketing.
Ihr seid auf lokale KMU spezialisiert. Inwiefern unterscheiden sich deren Anforderungen von denen großer Firmen?
Ralf: In unserem Fall sind unsere Kunden selbst Dienstleister mit sehr direktem Kundenkontakt. Solche kleinen, lokalen Unternehmen haben im Gegensatz zu den Großen oft nicht die Chancen und Mittel – vor allem in den Bereichen CRM, Marketing, Statistik, etc. Unsere Lösung gibt diesen Unternehmen die Möglichkeit, Dinge zu tun, die ansonsten nur den Großen vorbehalten sind – auf sehr einfache Weise ohne zusätzliche Software und so, dass es jeder kann.
Mit studiolution bietet ihr ein Kassensystem vor allem für die Beauty Branche an. Wieso ist dieser branchenspezifische Fokus wichtig für euch?
Wenn wir was machen, dann machen wir das richtig.
Hazel: Wir konzentrieren uns auf zwei Dinge: Ein sehr gutes Produkt und einen sehr guten Service. Zwei Dinge, die unsere Kunden sehr schätzen. In dieser Qualität kann man das unserer Meinung nach nur dann erreichen, wenn man sich fokussiert. Natürlich kann studiolution auch in anderen Branchen verwendet werden – durch unser Ressourcenmanagement zur Verwaltung von Räumen und Geräten beispielsweise ist das problemlos möglich. Aber auch hier ist unser Ansatz der gleiche: Wenn wir was machen, dann machen wir das richtig.
Sind cloudbasierte Software-Lösungen die Zukunft?
Ralf: Ja – die Vorteile liegen auf der Hand. Unsere Kunden profitieren von ständigen Updates. Außerdem sind die Daten mehrfach gesichert und sind nicht weg, wenn die Festplatte kaputt geht, der Rechner geklaut oder von einem Virus befallen wird. Die gesetzlichen Bestimmungen im Bereich Kasse (GoBD) werden von uns eingehalten und unsere Kunden haben ihr Geschäft quasi immer dabei – ein Klick im Handy genügt. Dadurch wird z.B. auch die Zusammenarbeit mit den Steuerberatern einfacher und schneller. Außerdem ist für uns die Wartbarkeit der Software sehr einfach und die Kosten können dadurch niedrig gehalten werden, was uns im Vergleich zu traditionelleren (PC-) Kassen sehr viel günstiger macht.
Die Erstellung von praktischen Software-Lösungen lässt nicht allzu viel Raum für Kreativität. Wie wichtig ist es dagegen, im Marketing kreativ zu sein?
Hazel: Kreativität spielt natürlich eine große Rolle, erfüllt bei uns aber keinen Selbstzweck. Besonders bei digitalen Produkten entsteht das Marketing vor allem aus dem Produkt heraus. Außerdem ist Marketing eine mehr und mehr analytisch getriebene Disziplin – beispielsweise im SEM Bereich, wo es wichtig ist, strategisch seine nächste Werbung zu platzieren oder in den App Stores die richtige Strategie zu finden um ganz nach oben zu kommen. Bunte Bilder helfen dabei nur wenig. Trotzdem muss man vor allem als kleines Unternehmen durch kreative Maßnahmen auffallen, wenn man schon nicht die finanziellen Mittel dazu hat. Unser letztes großes Projekt war zum Beispiel die Zustellung eines Pizzakartons gefüllt mit wertschätzenden kleinen Geschenken sowie einem Liebesbrief an Friseure. Deutschlandweit sind Fahrradkuriere bei potenziellen Neukunden in den Salon marschiert und haben diesen überreicht. Die Überraschung war groß und wir haben tolles Feedback besonders für den Liebesbrief bekommen, den über 100 K Personen auf Facebook gesehen hat. Solche Aktionen machen riesig Spaß und wir freuen uns sehr, wenn sie bei den Endkunden gut ankommen.
Letztes Jahr konntet ihr ein paar große Investoren an Land ziehen. Wie geht man sowas als Startup am besten an?
Ralf: Zunächst mal sollte man sich über die eigene Position, den Markt und über die Zahlen in Form eines Business Plans im Klaren sein. Dieser sollte die Hebel zur Beeinflussung des Geschäfts explizit ausweisen. Zusätzlich sollte man verschiedene, belastbare Szenarien durchrechnen und vor allem die Idee hinter dem Modell deutlich machen. Danach geht es um die Präsentation und die Kontakte. Natürlich können auch Businessplan Wettbewerbe o.Ä. helfen. Wichtig ist, dass man möglichst vielen Menschen von seinem Vorhaben erzählt und dadurch auch erfährt, was am eigenen Modell evtl. noch nicht so gut ist. Es lohnt sich auch Experten aus der Wirtschaft anzufragen, die evtl. Brücken zu Investoren schlagen können.
Hazel: Wir haben das Glück, großartige Investoren zu haben, die hinter uns und dem Produkt stehen. Unsere Investoren haben Ahnung von SaaS Produkten und die persönliche Beziehung stimmt.
Wie kam es dazu, dass ihr beide eure sicheren Jobs aufgegeben habt, um den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen?
Hazel: Zum einen war es einfach die Lust auf etwas Neues, die uns eigentlich bisher immer angetrieben hat – zum anderen war diese Idee schon seit Jahren in unseren Köpfen und die anderen Unternehmen kamen uns „einfach dazwischen“.
Ralf: Die Frage war eben, die damaligen Jobs zu verlängern und die Gründung des eigenen Unternehmens wieder einige Jahre nach hinten zu schieben, oder es eben einfach jetzt zu machen. Für letzteres haben wir uns dann entschieden, warum nicht?
Gab es Momente, wo ihr am liebsten alles hingeschmissen hättet?
Hazel: Ja – die gab es sicher öfter. Am Anfang war es das enorm hohe Risiko, es überhaupt zu machen. Wir haben zwei Kinder und mussten unseren Lebensunterhalt irgendwie bestreiten – von Kindergarten bis Wohnungsmiete. Da wir beide in das Projekt eingestiegen sind, gab es also „0“ Verdienst mehr. Der Boden im gesparten Geldtopf kommt dann extrem schnell näher. Wir wollten aber besonders zu Anfang möglichst viel selber finanzieren um einen Prototypen zu haben, der beweist, dass es überhaupt einen Markt gibt.
Ralf: Wir hatten für viele Monate einen monatlichen Umsatz von nicht mal 50€. Unsere Eltern hielten uns ohnehin schon für verrückt – aber wir wollten es eben. Nach ca. einem Jahr und einem leeren Topf haben wir uns auf die Suche nach einem Seed Investor gemacht. Erst dann war klar, dass wir das jetzt durchziehen. Unsere Annahmen haben sich bestätigt und der Markt war da.
Sport, Kinder und Vollzeit-Auslastung im eigenen Unternehmen – das muss man erstmal unter einen Hut kriegen. Was macht ihr für die ultimative Work-Life-Balance?
Hazel: Vor allem die ersten zwei Jahre waren schwer – es gab ja nur uns. Urlaub gab es zu der Zeit eigentlich nicht. Wenn wir an Weihnachten die Großeltern mal besucht haben, haben wir von dort aus Support für unsere Kunden geleistet. Uns war immer sehr wichtig, dass unsere Kinder das nicht so mitbekommen und so haben wir besonders in den späteren Nachmittagsstunden versucht für die Kinder da zu sein und dafür dann nachts zu arbeiten. Dafür wurden Sport und persönliche Dinge erst mal hinten angestellt. Wir wussten das aber vorher und die Leidenschaft für unser Produkt und Unternehmen hat uns das sehr gut „aushalten“ lassen.
Ralf: Eine Vereinfachung kam mit den Investoren, als wir die Arbeit auf mehrere Schultern verteilen konnten. Heute sind wir eine große Familie, haben ein tolles Team mit großartigen Menschen. Das führt auch dazu, dass man sich wieder Zeit freischaufeln kann.
Und jetzt mal ehrlich: Geht man sich als verheiratetes Unternehmer-Paar an einem anstrengenden Arbeitstag auch mal auf die Nerven?
Ralf: Es gibt kaum Paare, die sich so gut kennen wie wir – quasi 24h/Tag. Wir haben schon bei früheren Arbeitgebern wie AOL, XING, etc. zusammen gearbeitet und wollten das auch wieder so. Und ja – wir gehen uns auch mal auf die Nerven… aber gemessen an „Auf die Nerven gehen pro Zeit, die man miteinander verbringt“, sind wir sehr gut unterwegs.
Hazel Ahamer – geb. 1980 und aufgewachsen in London. Ihre Kreativität, Kommunikationsstärke und ihr Interesse an anderen Kulturen und Sprachen kam schon früh während Ihres Studiums der englischen und deutschen Literatur zu tragen. Sie begeistert sich für alles Digitale und versucht immer die Perspektive der Kunden/Nutzer einzunehmen. Sie hat in der jüngsten Vergangenheit große Projekte wie TV Spots, Akquise Maßnahmen in unterschiedlichsten Ländern (Print, Events bis Online) oder wie auch zuletzt Mobile Kampagnen für verschiedene Unternehmen erfolgreich umgesetzt.
Ralf Ahamer – geb. 1973 – kommt ursprünglich aus Österreich. Er begann seine Karriere Anfang der 90er bei der 3M. Später ging sein Weg über die Atrior AG zu AOL. 2006 ging er zu OpenBC/ XING AG als CMO. Anfang 2010 zog es ihn als Vorstand für die Bereiche Produkt, Marketing, IT und BI zur hotel.de AG nach Nürnberg. Seine Leidenschaft gehört der digitalen Welt, innovativen Konzepten und der Transformation traditioneller Geschäftsmodelle. Zuletzt gründete er das Start-up Head-on Solutions.
Beide sind begeisterte Sportler, verheiratet und mit zwei Kindern „ausgestattet“.