21. Mrz 2019 | Experten
In der Agenturbranche steht der Name Markus Hartmann für ein neues unternehmerisches Handeln und wirkungsvolle Zusammenarbeit. Radikal bricht der Ökonom mit falschen Glaubenssätzen wie Stundensätzen, Zeiterfassung und Controlling. Wertschätzung statt Aufwandsschätzung schafft Gewinn, so eine seiner Prinzipien: Für den Kunden gleichermaßen wie für den Anbieter. Wie aber kann man Wert verstehen lernen? Das haben wir Markus Hartmann von Pricing für Agenturen in einem kurzen Gespräch gefragt.
Wie bist Du auf dieses Thema gekommen?
Ich habe in meinem Leben immer Dinge gemacht, die mir Spaß und Freude gemacht haben. Und durch diese Begeisterung hat es sich irgendwie ergeben, dass ich dadurch anderen Menschen helfen konnte. Sei es als Hochzeits-DJ oder als Berater für komplexe Internet-Projekte. Und irgendwann kommt natürlich die Frage: »Was kostet das?« Darauf hatte ich nie eine richtige Antwort. Wie findet man den »richtigen« Preis? Und dann war da zudem stets die unterschwellige Sorge, zu teuer zu sein.
Schnell wurde mir klar: Ich bin mit diesem Thema nicht allein. So wie es mir bei der Preisfindung ergeht, geht es allen. Also begann ich zu lesen und zu lernen. Mittlerweile beschäftige ich mich seit über zehn Jahren intensiv mit dem Thema Preisen. Und es ist und bleibt für mich ein extrem spannendes Feld, denn das menschliche Handeln steht im Mittelpunkt.
Wie ist also der »richtige« Preis? Kreative, Selbstständige und Agenturen beantworten diese Frage oft mit: Mein Stundensatz multipliziert mit dem geschätzten Zeitaufwand. Und da sage ich: Nein, hört auf damit! Mein Weg ist radikal anders. Es ist ein Weg, der zu mehr Wertschätzung und Gewinn führt. Es geht darum, welchen Wert der mögliche Kunde sich durch diesen Handel erwartet. Das, was ich erkannt und gelernt habe, teile ich nun mit großer Begeisterung und Leidenschaft als Trainer und Lehrer und auch als Unternehmer.
Mein Weg ist radikal anders. Es ist ein Weg, der zu mehr Wertschätzung und Gewinn führt.
Ein zentrales Thema in Agenturen ist die Zeiterfassung, um dem Kunden minutengenau alle Leistungen in Rechnung stellen zu können. Kann man in einer Agentur Zeiterfassung einfach abschaffen?
Wenn wir über Zeiterfassung sprechen, dann sehe ich Zeiterfassung als tätigkeitsbezogene Zeiterfassung auf Projektebene, um mit Kunden und Mitarbeitern minutengenau Abrechnung zu betreiben. Und diese Zeiterfassung gehört sofort abgeschafft! Denn sie führt in der Zusammenarbeit mit Kunden und Mitarbeitern zu gewaltigen Verwerfungen. Preise bestimmen sich nicht durch Deine Aufwände und Kosten. Menschen lassen sich nicht kontrollieren und planen.
Zeiterfassung geht von der Annahme aus, dass ein Preis durch die Aufwände und Kosten des Anbieters begründet sei. Das ist jedoch falsch. Ein stets subjektives Werturteil handelnder Menschen lässt sich nicht »kalkulieren«. Der Wert einer Hochzeit für das Brautpaar und die Gäste bestimmt sich nicht durch die Anzahl der getrunkenen Getränke oder die für die Vorbereitung geleisteten »Zeitaufwände«. Gewiss, die Anzahl der Getränke lässt sich zählen. Und kontrollieren. Aber es sagt rein gar nichts aus über den Wert. Den Wert müssen wir fühlen, verstehen, erfahren. Solange wir Zeitaufwände und willkürliche Stundensätze mit Stoppuhr zählen und abrechnen, werden wir diesen Wert für den Kunden nicht verstehen können.
Dies bedeutet einen Paradigmenwechsel in der Agenturlandschaft. Siehst Du Dich am Anfang Deiner Arbeit mit einer Agentur eher mit gemischten Gefühlen konfrontiert?
Mitarbeiter von Agenturen und selbstständige Kreative kommen mir mit großer Offenheit entgegen, denn sie spüren längst, dass etwas in die falsche Richtung läuft. Ich frage sie dann oft: Wie viele Monate könnt ihr als Agentur überleben, wenn Ihr Euren Kunden keine Rechnungen stellt? Die durchschnittliche Antwort pendelt sich bei zwei bis drei Monaten ein. Zu wenig, um wirklich frei zu beraten und zu helfen.
Und auch die Kunden sind davon begeistert. Denn diese wollen schlicht ein Ergebnis. Dafür einen Preis. Und wenn der Wert klar ist, ist es wie so oft im Leben eben keine Frage des Preises mehr. Und schon gar nicht des »billigsten«.
Preise würfeln oder an den Fingern abzählen, Du bist von beiden Methoden wahrscheinlich kein Fan. Wie kommt man denn auf einen guten Preis?
Die Preisfindung ist Teil eines Handels. Und damit stets eine Abwägung von Anbieter und Käufer. Nur wenn beide Seiten sich durch diesen Handel einen Gewinn erwarten, wird dieser Handel stattfinden. Als Anbieter bedeutet das, zu klären, was sich der andere von dem Handel erwartet. Dies ist eine Frage wirksamer Kommunikation, zumal es sich im kreativen Bereich meist um Etwas handelt, das erst in der Zukunft durch gemeinsame Zusammenarbeit entstehen wird. Das erfordert ein tieferes Verständnis und Klarheit auf beiden Seiten. Die richtigen Fragen, Verstehen, Wissen und Können. So entsteht am Ende ein wertschätzender Preis. Dazu ist natürlich beiderseitiges Verständnis notwendig, das man sich erarbeitet und für das Vertrauen die tragende Rolle spielt. Denn was wenigen Agenturen bewusst ist, die glauben, allein der »billigste« Preis sei entscheidend: Der Kunde trägt das weitaus größere Risiko. Er könnte sich nämlich für die falsche Agentur entscheiden, und dann wäre schlimmstenfalls die Chance auf gemeinsamen Erfolg vertan. Vielleicht liegt hier das größte Missverständnis seitens der Agentur.
Hast du Tipps, wie Selbstständige Preise finden können?
Preise, die mit Stundensatz mal Zeitaufwand gerechtfertigt werden, liegen immer unter dem eigentlichen Wert, denn sie verkaufen sich letztendlich ohne Wert. Aber Deine Kunden kaufen nicht Deinen Zeitaufwand. Sie zahlen dafür, dass es Ihnen nach einer fruchtbaren Zusammenarbeit besser geht. Hat es Dich jemals interessiert, wieviel Zeitaufwand der Bauer hatte, um einen Apfel am Markt anzubieten? Nein. Allein der einzigartige Moment, im dem Du Hunger auf einen Apfel hast, war die Grundlage für die Entscheidung. Apfel kaufen? Banane kaufen? Oder doch lieber zuhause ein Butterbrot essen? Im übertragenen Sinne gesprochen: Lerne zu verstehen, warum Dein Kunde »Hunger« hat, und erschaffe ein Angebot, dass diesen bestmöglich stillt.
Hat es Dich jemals interessiert, wieviel Zeitaufwand der Bauer hatte, um einen Apfel am Markt anzubieten? Nein. Allein der einzigartige Moment, im dem Du Hunger auf einen Apfel hast, war die Grundlage für die Entscheidung.
Was rätst Du jemandem, der eine Agentur gründen möchte?
Wichtig ist, sich bewusst zu sein und zu verstehen, wie und wo Du am wirkungsvollsten Kunden und anderen Menschen voller Begeisterung und Freude helfen kannst und willst. Dort erwächst der Wert, den Du für andere schaffen kannst. Das ist nebenbei auch die Grundlage für Deinen Selbstwert. Und gerade dieser ist bei Kreativen oft nicht stark ausgeprägt. Das gilt nicht nur für die Agenturbranche, sondern für alle, die mit dem Gedanken spielen sich selbstständig zu machen.