08. Feb 2017 | Experten

Onlinetherapie für unterwegs – Interview mit Daniel Bosch von mentavio

Zuerst der Besuch beim Hausarzt, dann die Überweisung zum Therapeuten, die Terminvereinbarung, die sich womöglich ewig hinauszögert, weil nichts mehr frei ist – es gibt viele Gründe, warum Leute den Gang zum Psychologen vermeiden. Die Online-Plattform mentavio nimmt sich genau dessen an und bietet „Beratung on the go“. Geschäftsführer und Mitbegründer Daniel Bosch erklärt, wie das Ganze funktioniert.

Interview mit Daniel Bosch von mentavio

Hallo Daniel, stell dich und euer Unternehmen mentavio doch bitte kurz vor!

Daniel Bosch von Mentavio
Daniel Bosch von Mentavio

Sehr gerne! Mentavio ist eine Onlineplattform, die Klienten mit wenigen Mausklicks mit einem psychologischen Berater zusammen bringt. Bei uns sind das ausschließlich Psychologen mit Diplom oder Masterabschluss, approbierte psychologische oder ärztliche Psychotherapeuten, sowie Heilpraktiker für Psychotherapie. Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, Coaches ohne jegliche Approbation oder zumindest Überprüfung durch ein Gesundheitsamt (Heilpraktiker) bei mentavio aufzunehmen. Zwar gibt es auch ausgezeichnete Coaches ohne ein Studium oder eine Heilpraktikerausbildung, aber wir wollen den Klienten ein größtmögliches Maß an Sicherheit und Qualität bieten. Wenn sich ein Klient, also ein User, bei mentavio einen für sich passenden Berater gefunden hat, kann er direkt online einen Termin vereinbaren und diesen per E-Mail, Chat, Telefonat oder Videokonferenz per Webcam konsultieren. Oder aber einen Vor-Ort-Termin mit einem Berater oder Therapeuten vereinbaren.

Wer gehört noch alles zum Gründungsteam von mentavio und wer ist wofür verantwortlich?

Das Gründerteam besteht aus insgesamt 4 Personen. Neben mir sind das der Investmentbanker Thomas Kruse, der erento-Mitgründer Uwe Kampschulte und der Diplom-Psychologe Benjamin Uebel. Uwe kümmert sich hauptsächlich um den Vertriebsbereich, Thomas um den Finanzbereich, mein Schwerpunkt liegt in der Vermarktung der Plattform, und Ben kümmert sich um das Produktmanagement und die Usability. Insgesamt ein Team, das sich persönlich sehr gut versteht und auch fachlich ideal ergänzt.

Wie entstand die Idee zu mentavio?

Ich hatte bereits vor 6 oder 7 Jahren die Idee, psychologische Beratung online anzubieten. In meinem direkten persönlichen Umfeld gab es einen Scheidungsfall, und die betroffene Person war mit der Frage konfrontiert, wie sie das Problem ihren kleinen Kindern erklären sollte. So eine Situation ist nicht schön und vor allem nicht einfach, aber für fast alles im Leben gibt es eine professionelle Unterstützung, und gerade in hochemotionalen Situationen ist es oft zweckmäßig, mit einem Psychologen oder Psychotherapeuten zu sprechen, der die Sache aus der Perspektive eines objektiveren Dritten betrachtet. Als ich die Person fragte, ob sie denn bereits einen Psychologen kontaktiert habe, bekam ich die Antwort, dass das gar nicht so einfach sei. Damit war die Idee für mentavio geboren. Der Firmenname und die Gründung kamen dann allerdings erst in 2015, als ich Thomas von der Idee berichtete und er mir sagte, dass er nicht nur die Idee spannend fände, sondern auch ein Studium in Positive Psychology absolvierte. Uwe war praktisch sofort mit an Bord, doch den eigentlichen Startschuss brachte dann das Gespräch mit Ben, der seine psychologische Expertise ins Gründerteam einbrachte.

Für fast alles im Leben gibt es eine professionelle Unterstützung.

Was sind die Vorteile einer psychologischen Onlineberatung im Vergleich zum klassischen Besuch eines Psychologen?

Die Vorteile sind vielfältig. Zum einen sparen Klienten bei einer Onlineberatung viel Zeit. Sie müssen nicht in die Praxis fahren, sondern können in der Mittagspause, von zu Hause, ja selbst vom Feriendomizil aus einen Berater kontaktieren und ihre ganz persönlichen Themen in Ruhe besprechen. Außerdem brauchen sie keine Angst zu haben, dass sie von ihrem Nachbarn beim Gang zum Psychologen beobachtet werden – Stigmatisierung und Diskriminierung sind in Deutschland immer noch ein großes Thema. Bei mentavio besteht deswegen sogar die Möglichkeit, vollkommen anonym mit einem psychologischen Berater zu sprechen. Der Berater erfährt also nicht einmal, wie der Klient mit richtigem Namen heißt, wenn der Klient das nicht wünscht.

Mentavio befindet sich (noch) in der Beta-Phase. An welchen Kriterien wird festgemacht, ob sich das Konzept bewährt oder nicht?

Wenn wir den Break-Even erreicht haben, hat sich das Konzept bewährt. Das Beta wird aber hoffentlich schon in den nächsten Tagen oder Wochen entfernt, wenn wir die Plattform um einige Funktionen erweitert haben und sicherstellen können, dass im Live-Betrieb keine größeren Fehler mehr auftreten. Die Plattform ist jetzt schon funktionsfähig, aber es gibt noch die ein oder andere Kinderkrankheit. Das lässt sich bei Softwareentwicklungen in dieser Größenordnung leider nicht vermeiden.

Werden psychische Krankheiten deiner Meinung nach heutzutage immer noch unterschätzt?

Ich glaube nicht, dass psychische Krankheiten in der Vergangenheit unterschätzt wurden. Was sich aber geändert hat, ist die gesellschaftliche Akzeptanz und der Umgang mit psychischen Problemen. Noch vor 10 Jahren hätte kaum jemand in Deutschland bereitwillig zugegeben, dass er sich coachen lässt oder in psychotherapeutischer oder psychiatrischer Behandlung befindet. Heute sind die Deutschen im Hinblick auf das Thema deutlich weniger reserviert, auch wenn wir in dieser Hinsicht noch weit von den USA oder anderen Ländern entfernt sind. Was ich aber unterstreichen möchte: Es geht bei mentavio nicht nur um Anpassungsprobleme, Depressionen oder posttraumatische Belastungsstörungen. Wir bieten auch und gerade eine Lösung für Menschen an, die sich mehr Zufriedenheit in der Partnerschaft oder im Beruf wünschen, sich Führungskompetenzen aneignen, einem Burnout vorbeugen, eine MPU vorbereiten oder ganz einfach Antworten auf allgemeine Fragen des Lebens bekommen möchten. Diese Menschen sind alles andere als psychisch krank.

Wir bieten auch und gerade eine Lösung für Menschen an, die sich mehr Zufriedenheit in der Partnerschaft oder im Beruf wünschen, oder sich Führungskompetenzen aneignen wollen.

Wie behauptet ihr euch gegen die Konkurrenz? Was macht mentavio besonders?

Wir haben ein erfahrenes Gründerteam und eine nutzerfreundliche Plattform. Ich möchte der Konkurrenz jetzt keine Steilvorlage bieten, aber wir sind auf einen harten Wettbewerb eingestellt. Ansonsten hätten wir nicht in Deutschland gegründet. Vielleicht aber ein Punkt, in dem wir uns doch klar sichtbar von vielen anderen Unternehmen abgrenzen: Unser Plattform ist kein Bot. Wir glauben, dass das persönliche Gespräch mit einem Therapeuten unersetzlich ist, auch wenn rein computergestützte Software ergänzend Sinn macht. Aber den Psychologen, Psychotherapeuten oder Heilpraktiker kann zum Glück keine Software ersetzen.

Burnout-Prophylaxe und Stressbewältigung sind unter anderem Themen bei eurer Onlineberatung. Wie sehr hat man als junger Gründer mit diesen beiden Dingen zu kämpfen?

Die Arbeitsbelastung ist hoch. Wir arbeiten alle sehr viel, bei mir beginnt der Tag meistens vor 5 Uhr morgens und endet oft recht spät am Abend. Die Selbständigkeit bietet mir aber auch ein großes Maß an Freiheit. Wenn ich abschalten möchte, fahre ich in die Thermen, ins Fitness-Studio oder unternehme etwas mit meiner Frau und meiner Tochter.

Kann ein Startup ohne einen Marketingspezialisten überleben?

Nein. Außerdem reicht auf Dauer nicht nur ein einzelner Marketingspezialist. Vor 15 Jahren war die Lage im Online Marketing sicherlich anders, aber in Anbetracht des Fortschritts und des Wettbewerbs braucht man Experten für so ziemlich jeden Marketing Channel, egal ob nun für SEO, SEA, Affiliate Marketing, Display Advertising oder E-Mail. Ich kenne niemanden, der in all diesen Bereichen gleichzeitig glänzen kann. Das geht schon aus zeitlichen Gründen nicht mehr alles parallel.

Was steht in Zukunft für mentavio noch an? Außer dem Release natürlich!

Die Frage möchte ich erst beantworten, wenn wir soweit sind. An Ideen mangelt es aber auf keinen Fall.

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