06. Feb 2018 | Experten
Thorsten Ruhle kennt sich in puncto Marketing bestens aus. Was lag also näher, als sein Wissen in eine eigene Agentur zu stecken? Mit seinem Team von UrbanDivision berät er Unternehmen rund um die eigene Marke und Onlinepräsenz. Im Billomat-Interview gibt er außerdem Tipps für unsere Leser!
Hallo Thorsten, stell dich und dein Unternehmen doch bitte kurz vor!
Moin, Thorsten, 47 Jahre jung und Unternehmer aus Hamburg. Ich bin seit November 2000 Inhaber, Gründer und Betreiber der Agentur UrbanDivision. Die Kernkompetenz: Vermarktung, Beratung und Coaching von Unternehmern & Unternehmen zum Auf- und Ausbau der eigenen Marke.
Welche Dienstleistungen bietet UrbanDivision an?
UrbanDivision liefert Lösungen in den Bereichen Online Marketing, Web Design, Social Media und Suchmaschinenoptimierung.
Welche Unternehmen kommen auf euch zu, um eure Beratungsdienstleistung in Anspruch zu nehmen und was sind ihre größten Probleme?
80% sind es Unternehmen in der Größenordnung 1 – 20 Mitarbeiter, also klassische KMUs. Die restlichen 20% bestehen aus Freelancern, Selbstständigen, Bloggern und Konzernen.
Im Grunde haben alle die gleichen Herausforderungen: Umsatz. Image. Sichtbarkeit.
Nehmen wir an, der Fleischer um die Ecke kommt auf euch zu mit dem Ziel, mit seiner Unternehmenswebsite Platz 1 im Google Ranking zu erreichen. Was würdest du ihm raten?
Dazu würde ich ihm die Aussage präsentieren, die ich auch in unseren bundesweiten Google Workshops meist auf einer der ersten drei Charts kommuniziere: Das Verlangen eines Webseitenbetreibers, auf der ersten Seite bei Google zu stehen ist größer, als dass seine Webseite etwas „taugt“. Wir arbeiten mit Unternehmern zusammen, die mutig sind und auch ein gewisses unternehmerisches Risiko tragen wollen. Ich würde eher in Erfahrung bringen wollen, was seine Kunden sich wünschen, was diese von einer Webseite des Fleischers halten und ob für diese eine Webseite ihres Fleischers überhaupt wichtig ist.
Das Verlangen eines Webseitenbetreibers, auf der ersten Seite bei Google zu stehen ist größer, als dass seine Webseite etwas „taugt“.
Was meinst du, welche großen Marketingtrends kommen 2018 auf uns zu?
Das Online-Marketingjahr 2018 wird mit der weiteren Professionalisierung des Video-Marketings und der fortschreitenden Symbiose von Content Marketing und SEO noch spannender. Denn neue, erfolgreiche Trends, wie das Micro-Influencer-Marketing, werden 2018 weiter ausgereift und machen damit deutlich: persönliche Ansprache ist in Zukunft Gold wert. Dem greift das neue Gesetz zur Datenschutzgrundverordnung vor, indem es Grenzen im Umgang mit personenbezogenen Daten aufzeigt und zugleich für einen verantwortungsvollen Umgang mit Kundendaten steht.
Manch eine böse Zunge behauptet, die Zeiten von Facebook sind bald vorbei. Wie schätzt du die Lage ein?
Ehrlich? Facebook ist aus meiner Sicht ein Mikrokosmos geworden. Es gibt nur noch Sender. Keine Empfänger mehr. Zudem hat Facebook seine Reichweite so stark beschränkt, dass bei eigenen Posts nur noch 10-15% der Leser die aktuellen Meldungen zu Gesicht bekommen. Hierzu haben wir Anfang bis Mitte 2017 auch selbst über diverse Tools Analysen erstellt und ausgewertet. Dies deckt sich interessanterweise auch mit einer Aussage von Brian Boland, dem Leiter des Ads Product Marketing-Teams bei Facebook.
Wir selbst haben uns mehr und mehr aus dem Dunstkreis herausgenommen und sind nur noch sehr gezielt für unsere Kunden unterwegs. Mittlerweile empfehlen wir sogar aktiv keinem Kunden mehr Facebook, wenn nicht auch Gelder für Ads zur Verfügung stehen. Und selbst bei den bezahlten Anzeigen gibt es (wenn man einigen Unternehmern Glauben schenken darf), Diskrepanzen in einer korrekten Auslieferung von Anzeigen und Adressdaten. Das geht bis zu Meinungen der „Manipulation“ durch Klickfarmen und beeinflussten bezahlten Kampagnen. Ich selbst poste in meinem Profil schon kaum mehr, sondern lese viel mit und betreibe noch ein paar Gruppen.
Die neue Datenschutzverordnung tritt im Mai in Kraft. Worauf müssen Marketing Manager achten?
Die meisten denken, es ist mit SSL-Verschlüsselung und einem korrekten Impressum getan. Bei der neuen Datenschutzverordnung geht es aber nicht nur um die Verarbeitung auf der Website, sondern darum, wie die Firma aufgestellt ist und seine Unternehmung betreibt. Auch haben 80% alle Webseitenbetreiber, die wir kennen, z.B. Google Analytics eingesetzt. 80% davon haben jedoch keinen Vertrag mit dem Datenriesen abgeschlossen, der im Falle des Falles eine lückenlose Dokumentation liefert, was mit Daten bzw. Zugriffen auf die Webseite wirklich passiert. Abgesehen von der auch noch meist fehlenden Anonymisierung der IP-Adressen, die durch das eingesetzte Script direkt in die USA übertragen werden.
Was hat dich dazu bewegt, eine Marketing Beratung zu gründen und was waren die größten Herausforderungen bei der Gründung?
Leidenschaft. Ich teile unheimlich gerne mein Wissen und ich sehe mich als Übersetzer für komplizierte und/oder erklärungsbedürftige Zusammenhänge in der Vermarktung. Wir sind ja wirklich nur ein kleiner Sandkorn in der Welt der Agenturen, doch wir haben seit vielen Jahren unseren Platz gefunden. Das liegt sicherlich auch daran, dass ich sehr polarisiere und damit der Agentur eine sehr scharfe Platzierung gebe. Wie sage ich manchen Unternehmern immer so schön: „Ja, ich habe Ecken und Kanten, denn nur eine Null hat keine.“
Herausforderungen gab es –wie bei vielen anderen auch, beim Thema Neukundengeschäft. „Wie gewinne ich einen Kunden, ohne etwas anzubieten?“ war für mich extrem wichtig. Also habe ich mich viel mit Bewusstseinscoaching, Mentaltraining und Rhetorik beschäftigt. Ich zähle mich persönlich zu den Beratern, die mit Herzblut und Feuer bei der Sache sind. Und das meine ich auch 101% so wie ich es sage. Hier habe ich auch von meiner wundervollen Mama einen großartigen Satz mit ins Leben bekommen: „Leidenschaft ist das einzige Maß für Dinge, die einem wirklich wichtig sind!“ Dieser Satz ist auch Leitspruch in unserer Agentur.
Leidenschaft ist das einzige Maß für Dinge, die einem wirklich wichtig sind!
Marketing Agenturen gibt es viele und der Wettbewerb ist groß. Wie akquirierst du neue Kunden – oder kommen sie gar auf dich zu?
Das letzte Mal habe ich –so glaube ich- vor 10 Jahren einen Kunden „akquiriert“. Seitdem kommen unsere Unternehmen auf Empfehlung. Ich versuche erst einmal herauszufinden, für was das Gegenüber brennt und ob ich überhaupt eine Art „Chemie“ mit ihm habe. Das lässt sich z.B. sehr leicht über Fragen wie „Warum sollte ich Kunde bei Ihnen werden?“ oder „Können Sie mir in einem Satz beschreiben, wofür Sie in Ihrem Job wirklich brennen?“
Generell treffe ich mich sowieso erst einmal mit den Unternehmern und „fühle in das Miteinander“, bevor wir weitere Schritte unternehmen. Mit zwei von fünf Unternehmen möchten wir im Schnitt nicht arbeiten. Entweder, weil ich das Gefühl habe, wir sind hier „nur Dienstleister“ oder weil es einfach „keinen gemeinsamen Humor/Spaß“ gibt. Mir ist Spaß und Leidenschaft wichtiger, als ein weiteres Honorar auf dem Konto.
Welche drei Marketing Magazine, Blogs oder Bücher kannst du unseren Lesern empfehlen, die sich selbst weiterbilden wollen?
Blogs lese ich fast keine, zumindest nicht regelmäßig Einen bestimmten, da ich sowieso schon den ganzen Tag vor dem Rechner sitze. Vielleicht bin ich da altmodisch und lese dann z.B. lieber analog das t3n Magazin. Ebenso hat es in all den Jahren nur ein Magazin geschafft, meine Aufmerksamkeit zu bekommen und auch mein absolutes Desinteresse am Lesen zu ändern: brandeins. Die Auswahl an Themen und die Art der Schreibe gefällt mir extrem gut und ich bewahre alle Magazine auf. Ansonsten lese ich quer durch einige Online-Portale im Bereich Marketing, Design und Beratung und abonniere zu Testzwecken immer mal einen Newsletter. Doch bei den meisten melde ich mich nach 2-3 Aussendungen ab. Warum? Die elementare Frage des Empfängers wird bei den meisten nie beantwortet: „Was ist drin für mich?“ Und hier verhält es sich genauso, wie wir unsere Expertise mit unseren Kunden teilen: Die Menschen wollen Spaß haben. Also lass sie spielen.