13. Juni 2019 | Unternehmenssteuerung

Kostenfaktor Präsentismus: krank ist krank!

Kranke Mitarbeiter stellen Unternehmen vor große Herausforderungen. Denn Lohnfortzahlung, nicht fertig gewordene Projekte sowie Kosten für Vertretung belasten den Betrieb während des Ausfalls von Mitarbeitern durch Krankheit. Doch Mitarbeiter, die trotz ihrer Erkrankung zur Arbeit erscheinen, können der Firma in vielen Fällen sogar noch sehr viel mehr Kosten verursachen. Den Kostenfaktor Präsentismus haben Forscher der Universität Erlangen-Nürnberg untersucht. Ihre Ergebnisse zeigen auf, dass der so genannte Präsentismus ein ernsthaftes Problem darstellt, dem es zu begegnen gilt.

    1. Was ist Präsentismus?
    2. Studie zum Präsentismus: Was wurde untersucht?
    3. Welche Auswirkungen hat Präsentismus?
    4. Wie hoch ist der Kostenfaktor Präsentismus?
    5. Was sind die Ursachen für Präsentismus?
    6. Wann ist Präsentismus sinnvoll?
Kostenfaktor Präsentismus
Natürlich machen Unternehmen mit kranken Mitarbeitern Verlust, wenn sie als Arbeitskräfte ausfallen. Was tatsächlich noch teurer ist: wenn sie trotz Krankheit zur Arbeit kommen. (Bild © pexels.com)

Was ist Präsentismus?

Als Präsentismus bezeichnen Wissenschaftler das Verhalten von Arbeitnehmern, trotz einer Erkrankung in ihrer Arbeit zu erscheinen. Da dieses Verhalten zunehmend beobachtet wird, wurden die Gründe und Auswirkungen des Präsentismus in den vergangenen Jahren durch verschiedene Studien wissenschaftlich untersucht. 

Im Ergebnis zeigen die Untersuchungen, dass die Auswirkungen des Präsentismus bislang sehr unterschätzt wurden. Denn durch Präsentistmus können weitaus höhere Kosten für den Betrieb sowie für die Allgemeinheit entstehen, als durch Fehlzeiten bei Krankheit. So stellen die Kosten, die durch Krankheit verursacht werden, lediglich die Spitze eines Eisbergs im Vergleich zu den Kosten, die durch Präsentismus entstehen. 

Studie zum Präsentismus: Was wurde untersucht?

Ein Team des der Universität Erlangen-Nürnberg hat verschiedene europäische und außereuropäische Studien zum Präsentismus und zu Krankheitskosten durch Fehlzeiten untersucht und miteinander verglichen. Das Ergebnis der Untersuchung ergab, dass die Kosten durch Präsentismus genauso groß sein können oder sogar ein Vielfaches der Kosten erzeugen können, wie sie Unternehmen durch Fehlzeiten bei Krankheit von Mitarbeitern entstehen. 

Welche Ergebnisse zeigte die Studie?

Während ihrer Studie stellten die Forscher fest, dass der Krankenstand in Deutschland zwar seit langem ein sehr niedriges Niveau aufweist. Doch andererseits ist die Entwicklung zu erkennen, dass viele Arbeitnehmer trotz einer Erkrankung immer häufiger zur Arbeit gehen. 

Ergebnisse mehrerer Umfragen – Präsentismus ist sehr verbreitet

Auch Studienergebnisse aus Skandinavien bestätigen diese Entwicklung. Gerade in Skandinavien zeigt das Verhalten ein sehr hohes Niveau. Im Zuge von Erhebungen, die im Rahmen der Studie angestellt wurden, gaben im Jahr 2005 53 Prozent der Befragten an, mehr als einmal während des vorangegangenen Jahres trotz einer Erkrankung in die Arbeit gegangen zu sein. In Deutschland liegen zum Präsentismus Daten von zwei weiteren Studien aus den Jahren 2003 und 2007 vor. Zwei Drittel der Befragten gaben in diesen Studien an, im vorangegangenen Jahr trotz Erkrankung in der Arbeit erschienen zu sein. Knapp 33 Prozent der Befragten gab sogar an, entgegen des ausdrücklichen Rates ihres behandelnden Arztes in der Arbeit erschienen zu sein. Sämtliche Studien stellten zudem fest, dass Frauen häufiger trotz einer Erkrankung arbeiten gehen als Männer. 

Welche Auswirkungen hat Präsentismus?

Neben der Feststellung, dass das Verhalten, trotz einer Erkrankung am Arbeitsplatz zu erscheinen, mannigfaltige Gründe haben kann, kam die Studie zu dem Ergebnis, dass Präsentismus weitere negative Auswirkungen erzeugt. Denn die Mitarbeiter gefährden sowohl die eigene Gesundheit, als auch die der Kollegen. Zudem stellen sie einen erheblichen Kostenfaktor für den Betrieb als auch für die Gesellschaft dar. Denn eine geringere Qualität der Arbeit sowie eine vermehrte Fehleranfälligkeit oder die Neigung zu Unfällen während der Arbeit werde durch den Präsentismus befördert. Zudem nimmt die Konzentrationsfähigkeit stark ab und die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit ist entsprechend gefährdet.

Darüber hinaus zeigen mehrere wissenschaftliche Studien, dass Betroffene ein erhöhtes Risiko tragen, vorzeitig aus dem Erwerbsleben auszuscheiden, wenn sie häufig Präsentismus aufweisen.

Wurden die Folgen durch Präsentismus noch vor einigen Jahren nicht berücksichtigt, so liefert die Erforschung dieses Verhaltens inzwischen ausreichend Daten, um das Problem wahrzunehmen und entsprechend damit umzugehen. 

Wie hoch ist der Kostenfaktor Präsentismus?

Volkswirtschaftlicher Schaden des Arbeitsausfalls durch Krankheit

Die gibt an, dass krankheitsbedingte Fehlzeiten im Jahr 2014 zu einem volkswirtschaftlichen Produktionsverlust führten, der mit 57 Milliarden Euro zu beziffern ist. Der Verlust an Arbeitsproduktivität und damit der Ausfall an Bruttowertschöpfung durch Fehlzeiten in der Arbeit betrug im gleichen Zeitraum 90 Milliarden Euro. 

Volkswirtschaftlicher Schaden durch Präsentismus

Nicht nur Unternehmen sind betroffen, wenn erkrankte Mitarbeiter in der Arbeit erscheinen. Rund ein Zehntel des Bruttoinlandprodukts verliert die deutsche Volkswirtschaft durch Arbeitnehmer, die trotz Erkrankung arbeiten gehen. Das hat die Studie der Strategieberatung Booz & Company (PwC Strategy&Germany, GmbH 2011) ergeben. Bei einem Bruttoinlandsprodukt von abgerundet 3,3 Billionen Euro beträgt der Schaden durch Präsentismus damit 330 Milliarden Euro pro Jahr. 

Schaden an Produktivität

Eine untersuchte Studie von Braakman-Jansen kommt zu dem Ergebnis, dass der Verlust an Produktivität durch Präsentismus bei einem Anteil von bis zu 60 Prozent im Verhältnis zu den Gesamtkosten durch Arbeitsausfall liegt. Dabei stellen Kopfschmerzen und Atemwegserkrankungen sowie Depressionen die Erkrankungen mit den deutlichsten Verlusten. Eine amerikanische Studie zeigte auf, dass in einem großen Unternehmen, in dem 80.000 Arbeitnehmer beschäftigt sind, jährliche Kosten in Höhe von 21,5 Milliarden Dollar durch Krankheit entstehen. Dabei sind 40 Prozent der Kosten auf Fehlzeiten durch Krankheit zurückzuführen, während 60 Prozent der Kosten durch Präsentismus entstehen. 

Was sind die Ursachen für Präsentismus?

Die Studie der Universität Erlangen unterstreicht, dass die Gründe für Präsentismus sehr vielfältig sind. 

Wirtschaftlicher Druck führt zu Präsentismus

Gemäß der Auswertungen des ist Präsentismus besonders häufig zu beobachten, wenn wirtschaftlich schwierige Zeiten herrschen und die Konjunktur schwach ist. Der Krankenstand entwickelt sich in der Regel genauso wie die Situation der Wirtschaft und der Beschäftigung. Das bedeutet, dass bei starker Wirtschaft und guter Beschäftigungssituation mehr Arbeitnehmer in den Krankenstand gehen. Zugleich neigen viele Arbeitnehmer zu Präsentismus, wenn die Wirtschaftslage schlecht oder die Beschäftigungssituation angespannt ist. 

Unternehmenskultur als Auslöser für Präsentismus

Die Studie zeigt zudem, dass oftmals auch die Kultur des Unternehmens oder die Firmenphilosophie den Präsentismus befördert. Denn Unternehmen, die von ihren Mitarbeitern stets vollen Einsatz erwarten, die einen erhöhten Leistungsdruck ausüben oder eine Philosophie mit sehr hohen Erwartungen vermitteln, drängen ihre Mitarbeiter in den Präsentismus.

Wann ist Präsentismus sinnvoll?

Die Studie der Universität Erlangen weist auch darauf hin, dass in manchen Fällen der Präsentismus durchaus sinnvoll ist. Denn in bestimmten Situationen kann die Anwesenheit am Arbeitsplatz bei der Regeneration während oder nach einer Erkrankung unterstützend wirken. 

Präsentismus bei seelischen Erkrankungen

Zum Beispiel kann es sinnvoll sein, wenn ein Mitarbeiter, der mit einer Depression zu kämpfen hat, nicht aus seinem gewohnten Umfeld ausscheidet, sondern in Arbeitsabläufe eingebunden bleibt. So behält ein depressiv Erkrankter seine tägliche Struktur bei, er begegnet laufend seinen Kollegen und erfährt, dass er weiterhin gebraucht wird und dass seine Anwesenheit einen Sinn erfüllt. 

Auch nach einem Burnout kann der Präsentismus bei der Wiedereingliederung in die Arbeitswelt helfen. Trotz der noch bestehenden Erkrankung kann die Arbeit in einem geringeren Umfang wieder aufgenommen werden. So wird der Erkrankte wieder an die Arbeit herangeführt und erfährt ganz praktisch, wo noch Grenzen liegen und wo seine Gesundheit bereits wiederhergestellt ist. 

Präsentismus bei gesundheitlichen Einschränkungen

Besonders bei gesundheitlichen Erkrankungen, die den Betroffenen nur auf einem bestimmten Gebiet einschränken, kann Präsentismus helfen, die Krankheit besser zu überstehen. Zum Beispiel hindert ein gebrochener Arm oder ein erkrankter Rücken einen Arbeitnehmer nicht daran, am Schreibtisch tätig zu sein. Vielmehr kann die Arbeit dabei helfen, weiterhin in der Tätigkeit auf dem laufenden zu bleiben und in der besonderen Situation wichtige Strukturen aufrecht zu erhalten. 

Schlussfolgerung zum Kostenfaktor Präsentismus

Die Studie räumt ein, dass die erhobenen Daten in ihrer Summe nicht uneingeschränkt belastbar sind. Denn die durch das Team der Universität Erlangen untersuchten Studien wurden in unterschiedlichen Ländern durchgeführt. Dort liegen unterschiedliche Ausgangssituationen hinsichtlich der entstehenden Kosten durch Krankheitsausfall vor. Zum Beispiel sind die Höhe oder die Dauer der Lohnfortzahlungen sowie andere soziale Leistungen in verschiedenen Ländern unterschiedlich gestaltet, was den  unmittelbaren Vergleich erschwert. 

Dennoch zeigen die Studien in ihrer Summe auf, dass Präsentismus ein zunehmendes Phänomen in der Arbeitswelt darstellt, das sich wirtschaftlich auf Unternehmen, die Gesellschaft und die betroffenen Volkswirtschaften negativ auswirkt. Daher gilt es, den Präsentismus angemessen zu berücksichtigen und diesem durch sinnvolle Maßnahmen entgegen zu treten. 

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