19. Aug. 2019 | Gründung
Retouren sollen einfach und kostenfrei sein. Das wollen die Kunden. Doch was bedeutet das für Dich als Onlineshop-Betreiber? Retouren kosten Geld und zwar nicht nur für den reinen Versand.
Für 2017 wird der E-Commerce-Umsatz auf 73 Milliarden Euro geschätzt. Der Branchenverband Bitkom hat errechnet, dass etwa Dreiviertel aller Privathaushalte und mehr als jede zweite Firma online einkauft. Viele Paketdienste und Spediteure sind unterwegs, um die Waren zum Kunden zu bringen. Doch das ist keine Einbahnstraße. Je nachdem, um welche Art von Waren es sich handelt, kommt es zu mehr oder weniger Retouren. Manche schicken das ganze Paket zurück, einige nur einzelne Produkte aus einer größeren Lieferung. Das kann den Erfolg Deines Onlineshops trotzdem beträchtlich beeinflussen. Denn die Rücksendungen kosten – und zwar überwiegend das Geld des Verkäufers.
Die Rücksendekosten setzen sich aus verschiedenen Punkten zusammen, darunter diese:
Gerade in kleineren Online-Shops machen sich die Betreiber oft nicht klar, wie aufwändig eine Rückabwicklung wirklich ist. Dabei ist es sehr wichtig, die Kosten einmal konsequent zu kalkulieren. Je weniger Retouren ein Shop abwickeln muss, umso teurer sind sie. Klingt unsinnig? Stimmt aber. Während die großen Versandhäuser eine ausgetüftelte Logistik und strukturierte Prozesse für Retourenannahme haben, ist bei den kleinen Shops viel Handarbeit dabei.
Zu den reinen Handling-Kosten kommt dann aber noch etwas, das die Kosten nochmal deutlich in die Höhe treibt. Oft sind die Waren in Rücksendungen nicht mehr in einem Zustand, den Du wieder als Neuware anbieten kannst. Die Retouren-Studie 2016 des Händlerbundes hat ergeben, dass fast jede zweite Retoure beschädigte Ware enthält. Entweder Dinge wurden benutzt, Etiketten entfernt oder die Originalverpackung zerstört. Solche Ware kannst Du nicht mehr als Neuware verkaufen. Du hast faktisch einen Wertverlust und Du musst Dich darum kümmern, die Ware zum geringeren Preis abzusetzen.
Wichtig ist, dass Du die Kosten genau kalkulierst und Dir der Sache bewusst bist. Dann kannst Du das Problem angehen.
Aufgrund einer EU Verbraucherrichtlinie müssen Kunden seit dem Juni 2014 die Kosten für Rücksendungen von Online Einkäufen selbst tragen. Zwar genießen sie auf Basis des Verbraucherschutzes ein Widerrufsrecht für jeden Einkauf. Doch die Kosten für die Rücksendung sollen sie selbst übernehmen. Auf diese Weise wollten die Gesetzgeber die Retourenquote für Online Retouren senken.
Seit Inkrafttreten der Verordnung müssen alle Onlinehändler eine EU-weit einheitliche Widerrufsbelehrung mit Widerrufsfristen und einer Aufklärung über Rücksendekosten erstellen sowie ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen entsprechend gestalten. Onlinehändler haben in der Kaufabwicklung die Verpflichtung, ihren Kunden die Widerrufsbelehrung zuzustellen und somit über deren Widerrufsrecht ausdrücklich aufzuklären. Zudem müssen die Kunden im Rahmen der Kaufabwicklung erklären, dass sie die Widerrufserklärung gelesen haben. Im Falle des Widerrufs müssen Kunden diesen ausdrücklich in schriftlicher Form erklären.
Im Bürgerlichen Gesetzbuch sind neben der Anpassung des nationalen Rechts an die EU Richtlinie auch Ausnahmen vom Widerrufsrecht aufgeführt. Die Ausnahmen vom Widerrufsrecht, die im § 312g BGB ausgeführt sind, betreffen zum Beispiel:
und viele mehr.
Neben den vorrangig kalkulierbaren Kosten, wie zum Beispiel den Aufwendungen für das Transportunternehmen, fallen insbesondere sehr häufig zusätzliche Materialkosten an. Denn die Rücksendung verbraucht auch die eingesetzten Kartonagen und weiteres Verpackungsmaterial. Dazu kommen Personalkosten für die Verwaltung, die sich mit der Rückabwicklung des Geschäfts befassen muss.
Bei einer Retoure muss die Buchhaltung nicht nur die Rücküberweisung des Rechnungsbetrags oder eine Neukalkulierung der Rechnung bei Teilrücksendungen vornehmen. Auch fallen Kosten für bestimmte Zahlungsarten, wie zum Beispiel für die Kreditkarte oder bei Sofortüberweisung an, deren Höhe vom Warenwert abhängig ist. Zudem ist die zurückgeschickte Ware auf Beschädigungen hin zu kontrollieren und in der Regel auch neu aufzubereiten. Oft wurde die Originalverpackung geöffnet und notwendige Etiketten entfernt. Nach der Überprüfung gilt es zu entscheiden, wie die Retoure weiterverwendet wird. Wird sie im Warenlager neu einsortiert, muss das Personal den Artikel dort einpflegen. Wird die Retoure zu einem herabgesetzten Preis neu angeboten, dann kommt die IT-Betreuung des E-Shops zum Einsatz. Auch eine Preissenkung zurückgeschickter Artikel ist in der Kostenkalkulation für Retouren zu berücksichtigen.
Die Forschungsgruppe Retourenmanagement der Otto-Friedrich-Universität Bamberg untersucht in ihrem Retourentacho die betriebliche Praxis von Onlinehändlern, um insbesondere die wirtschaftlichen Auswirkungen von Online Retouren zu beleuchten. Für das Jahr 2018 / 2019 hat die Universität ihre jüngsten Untersuchungen ausgewertet und stellt die Ergebnisse online zur Verfügung.
Die Forschungsergebnisse zeigen, dass knapp jedes sechste Paket und jeder achte Artikel durch den Kunden retourniert wird. Dabei verursacht jede Online Retoure unterschiedliche Kosten, während die Aufwendungen für retournierte Pakete höher ausfallen als für einzelne Artikel.
Wird ein ganzes Paket zurückgeschickt, dann fallen für die Online Retoure durchschnittliche Kosten in Höhe von 19,51 Euro an. Diese setzen sich aus 9,85 Euro für den Transport und weiteren 9,66 Euro für die Bearbeitung zusammen. Ein zurückgeschickter Artikel verursacht beim Händler durchschnittliche Kosten in Höhe von 11,24 Euro. Die Kosten setzen sich zusammen aus 5,67 Euro für den Transport und weiteren 5,57 Euro für die Bearbeitung.
Für die Höhe der Kosten spielt der Faktor Transport die größte Rolle. Rund 80,9 Prozent der Onlinehändler, die an der Untersuchung teilgenommen haben, benennen die Porto- und Transportkosten als größten Kostenfaktor im Rahmen einer Online Retoure. An zweiter Stelle fällt der Wertverlust der Artikel ins Gewicht, die nicht mehr zum vollen Preis verkauft werden können. Auch die Kontrolle und Beurteilung der zurückgeschickten Artikel gelten als belastende Kostenfaktoren im Retourenmanagement. Laut der Studie entstehen in Deutschland durch Online Retouren Kosten in Höhe von geschätzten 5,46 Mrd Euro pro Jahr.
Die meisten Retouren werden nach ihrem Werteverlust wieder aufbereitet und als A-Ware verkauft. Rund 13 Prozent der zurückgeschickten Artikel wird als B-Ware angeboten, Rund 3,9 Prozent der Online Retouren muss entsorgt oder verschrottet werden, während 2,1 Prozent an industrielle Verwerter abgegeben wird. Die Studie zeigte, dass entgegen öffentlicher Darstellungen nur sehr selten Online Retouren vernichtet werden.
Die Gesamtkosten von 5,46 Mrd Euro für Online Retouren tragen in der Praxis zunächst die Onlinehändler. Die meisten Onlinehändler bieten die kostenlose Retoure als Kundenservice an, um sich auf dem Markt gegen ihre Mitbewerber durchzusetzen. Die Kosten, die mit jeder Rücksendung entstehen, müssen sie im Rahmen ihres Retourenmanagements alleine tragen. Um wirtschaftlich zu handeln, müssen Onlinehändler die Kosten von Retouren jedoch in ihrer Preisgestaltung berücksichtigen. Über die Ansetzung von Preisen schlagen sie die durchschnittlich anfallenden Kosten für die Online Retoure auf ihre Kunden um. Auf diese Weise müssen die Kunden den Service beim nächsten Einkauf wieder durch höhere Marktpreise selbst tragen.
Trotz stabil bleibender Retourenquote setzen Onlinehändler auf die Attraktivität des Kundenservices in der Handhabung ihrer Retouren. So bieten sie ihren Kunden im Durchschnitt 28,4 Tage Zeit, um eine Retoure vorzunehmen. Damit liegen sie weit über der gesetzlichen Widerrufsfrist von 14 Tagen. Zudem setzen Onlinehändler auf die kostenfreie Retoure, um sich im Wettbewerb zu behaupten. Sehr viele Händler erhöhen auch die Transparenz der Kaufabwicklung, um ihre Kunden zum Beispiel über den Bearbeitungsstand laufend zu informieren. Die Kunden sollen ihren Logistikdienstleister selbst wählen können. Die Abfrage von Gründen für die Rücksendung soll dem Händler mehr Einblick über das Kundenverhalten liefern.
Je freundlicher Onlinehändler ihre Retourenregelungen ausstatten, umso mehr Retouren fallen für sie an. Zudem fallen die Kosten für Online Retouren besonders für kleine Onlinehändler hoch aus. Denn je weniger Retouren anfallen, umso höher steigen die Kosten für einzelne Retouren. Große Onlinehändler haben zumeist eine gut organisierte Retourenlogistik, um die Kosten hierfür möglichst niedrig zu halten. Diese logistischen Möglichkeiten stehen kleinen Händlern hingegen nicht zur Verfügung. Trotzdem leisten es sich im Ergebnis aufgrund des starken Wettbewerbdrucks nur wenige Onlinehändler, ihre Kunden die unmittelbaren Kosten für Online Retouren tragen zu lassen.
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