13. Nov 2013 | Experten
Rechtsanwalt Thomas Schwenke kennen und schätzen viele Selbstständige schon lange – denn in seinem hochgelobten Blog und auf seiner Facebook-Fanpage gibt er Tipps und Hinweise, wie Unternehmerinnen und Unternehmer rechtlichen Fallen ausweichen können, die in sozialen Medien und in der Marketingpraxis lauern. Der Rechtsanwalt für Marketingrecht und Experte für Social-Media-Recht hat Billomat in diesem Sommer dabei unterstützt, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen neu zu formulieren. Für das Billomat-Magazin ein guter Anlass, mal nachzufragen, was es mit AGB im Allgemeinen und Besonderen auf sich hat: Sollten auch Freiberufler eigene AGB haben? Welche Pflichten haben Unternehmen, wenn sie ihre AGB ändern? Kann man sich AGB von Mitbewerbern kopieren? Das und viel mehr rund um diese Texte, die jeder lesen sollte, obwohl es doch kaum jemand tut, hat uns Thomas Schwenke ausführlich erklärt.
Thomas Schwenke (TS): Kunden misstrauen traditionell AGB, weil sie es gewohnt sind, dass darin hauptsächlich für sie nachteilige Klauseln versteckt werden. Wer dagegen verständliche AGB bietet, zeigt, dass er ehrlich mit offenen Karten spielt, überrascht Kunden positiv und schafft so letztendlich Vertrauen. Zudem kennen die Kunden dadurch die vertraglichen „Spielregeln“, weswegen etwaige Missverständnisse und Streitpunkte vermieden werden.
Dennoch ist eher die Ausnahme, dass Unternehmen wie Billomat diese Vorteile erkennen und mich ausdrücklich darum bitten, verständliche AGB zu verfassen. Dass die Entscheidung richtig war, zeigen mir vor allem die Anfragen anderer Mandanten, die sich ebenfalls so klare AGB „wie die bei Billomat“ wünschen.
TS: Sind AGB die Grundlage einer dauerhaften Geschäftsbeziehung, müssen die Kunden allen geänderten AGB ausdrücklich zustimmen. Ansonsten gelten die alten AGB weiter.
Daneben ist auch eine „Zustimmung durch Schweigen“ möglich, jedoch nur unter strengen Voraussetzungen. Notwendig ist zunächst, dass ein Unternehmen sich die Änderung in den AGB vorbehalten hat und etwaige Änderungsgründe schon bei Vertragsschluss genannt hat (zum Beispiel Anpassung an geänderte Rechtslage). Ferner muss es eine Widerspruchsfrist festlegen (mindestens 2 Wochen), innerhalb der die Kunden den neuen AGB nach deren Mitteilung widersprechen können. Für den Fall des Widerspruchs kann ein Recht zur Kündigung des Kunden durch das Unternehmen festgelegt werden.
Diese hohen Anforderungen gelten praktisch bei jeder Korrektur der AGB, es sei denn, es werden nur Rechtschreibfehler berichtigt, die sonst die Bedeutung und Wirkung der AGB nicht verändern.
TS: Ich empfehle auch Freiberuflern, eigene AGB zu haben, da ansonsten die mitgeteilten AGB der Auftraggeber gelten. Diese enthalten jedoch oft für sie nachteilige Klauseln, die zum Beispiel überdehnte rechtliche Prüfungspflichten oder eine exklusive Übertragung aller Rechte an den Arbeitsergebnissen, Vorlagen und Entwürfen der Selbständigen vorsehen.
Werden zugleich die eigenen AGB mitgeteilt und bleiben unwidersprochen, bewirken sie zumindest, dass sich gegenläufige Klauseln beider AGB aufheben (so genannte „AGB-Kollision“). Die Folge ist, dass dann das Gesetz gilt, was im Regelfall für Freiberufler vorteilhafter ist. Das heißt, eine AGB haben für Freiberufler eine automatische Schutzfunktion.
TS: Hier würde ich sehr aufpassen, da Gerichte bereits entschieden haben, dass auch AGB als „Sprachwerke“ urheberrechtlich geschützt sein können. Das gilt für „verschwurbelte AGB“ und erst recht für verständlich (und damit außergewöhnlich) formulierte AGB.
Zudem weiß ich, dass viele Anwälte es mit Hilfe von Plagiatssuchmaschinen überprüfen, ob jemand deren AGB unerlaubterweise übernommen hat, und solche Übernahmen sofort abmahnen.
Wer AGB deswegen ohne juristische Kenntnisse abwandelt, mindert vielleicht das Risiko einer urheberrechtlichen Abmahnung. Jedoch riskiert er im Gegenzug nicht nur, dass seine AGB unwirksam sind. Zusätzlich kann er deswegen durch Mitbewerber abgemahnt werden.
TS: Die Generatoren können nützlich sein, wenn man die nötige rechtliche Vorbildung hat. Denn deren Nachteil liegt darin, dass sie nicht auf konkrete Anforderungen zugeschnitten sind. Das heißt, wer rechtlich nicht bewandert ist, läuft Gefahr, unpassende oder sogar abmahnbare AGB zu nutzen. Ferner übernehmen deren Anbieter, im Gegensatz zu einem Rechtsanwalt, keine Haftung, falls man wegen unpassender AGB abgemahnt werden sollte. Es empfiehlt sich also, auch die AGB der AGB-Generatoren zu lesen.
Wenn eine AGB-Klausel unwirksam ist, gilt sie als nicht existent, das heißt, an deren Stelle treten die gesetzlichen Regelungen. Wenn infolge eines Klauselfehlers auch andere AGB-Klauseln ihren Sinn verlieren oder rechtswidrig werden, werden auch sie durch das Gesetz ersetzt.
Dazu muss man beachten, dass im B2C-Bereich dieser Wegfall der Klauseln sogar per Gesetz festgelegt ist (§ 306 Abs.1 BGB). Diese Folge kann auch nicht mit der sogenannten „Salvatorischen Klausel“ vermieden werden. Diese findet man oft am Ende von Verträgen und sie besagt, dass bei Nichtigkeit von Regelungen sinngemäße Regelungen Anwendung finden, die dem Willen der Parteien entsprechen. Es besteht sogar die Gefahr einer Abmahnung bei deren Verwendung gegenüber Verbrauchern, da sie dem Gesetz widerspricht.
Dass wegen AGB-Fehlern gleich die gesamte Zahlungspflicht direkt entfällt, ist eher selten. Jedoch kann es passieren, dass ein Kunde zum Beispiel auch nach Ablauf von zwei Wochen Widerrufsfrist Waren zurückgeben und Kaufpreiserstattung verlangen kann und keine Rücksendekosten übernehmen muss.
TS: Bei Geschäften mit Verbrauchern müssen die Verbraucher entweder deutlich auf die AGB hingewiesen werden (zum Beispiel deutlich in einer E-Mail). Alternativ müssen die AGB online so deutlich sichtbar präsentiert werden, dass die Verbraucher vor Vertragsschluss quasi nicht an den AGB vorbeikommen, ohne sie wahrzunehmen. AGB im Footer oder Impressum einer Website sind dafür nicht ausreichend. Ebenso wäre es nicht ausreichend, AGB nur auf Verlangen herauszugeben. Zumal sie nach der Dienstleistungs-Informationsverordnung vom Unternehmen aus mitgeteilt werden müssen. AGB sollten daher unmittelbar vor Bestätigungsschaltflächen platziert werden. Da die Nachweispflicht der Kenntnisnahme bei den Unternehmen liegt, setzen diese in der Regel Kontrollkästchen ein, um jeden Zweifel zu vermeiden.
Zwischen Unternehmen sind die Regeln im Hinblick auf die AGB theoretisch weniger streng, so dass ein Link zu den AGB in der Signatur einer E-Mail oder Website-Footer durchaus ausreichen könnte. Da jedoch auch bei B2B das Unternehmen, das die AGB stellt, deren Einbeziehung nachweisen muss, empfehle ich, sich an dieselben Regeln wie bei Verbrauchergeschäften zu halten.
Die meisten Fehler passieren nicht aufgrund einer falschen Rechtsanwendung, sondern aus Unkenntnis über rechtliche Fallstrickte des eigenen Geschäftsmodells. Sei es bei AGB, Bildernutzung, Datenschutz oder dem Direktmarketing. Nach meiner Erfahrung könnten 90% aller Abmahnungen vermieden werden. Daher empfehle ich allen Gründern, sich über die möglichen Probleme vorab kundig zu machen. Oft reicht es aus, sich mit einem branchenkundigen Rechtsanwalt für eine Stunde zusammenzusetzen, das eigene Vorhaben zu erklären und dank seiner Hinweise eine rechtliche Sensibilität zu gewinnen.
Vielen Dank für das Interview, Thomas!
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