20. Nov. 2019 | Unternehmenssteuerung
Gerade Steuerschulden können zur finanziellen Überlastung und langfristig in eine Insolvenz führen. Nicht nur vom Finanzamt festgesetzte Steuerschätzungen ziehen für viele Steuerzahler die Zahlungsunfähigkeit nach sich. Zwar sind von Steuerrückständen in erster Linie Unternehmer betroffen, während die Privatinsolvenz dem Verbraucher einen Weg aus der Zahlungsunfähigkeit weist. Ob Steuerschulden und Privatinsolvenz sich jedoch grundsätzlich ausschließen, erfährst Du hier.
Für Unternehmer, die Insolvenz anmelden, wird im Normalfall das so genannte Regelinsolvenzverfahren angewendet. Beide Verfahren haben zum Ziel, eine Befreiung von der so genannten Restschuld herbeizuführen. Doch das Verbraucherinsolvenzverfahren hat weniger Hürden als die Regelinsolvenz. Daher ist eine Privatinsolvenz auch für Selbstständige zu bevorzugen.
Um ein Verbraucherinsolvenzverfahren durchzuführen, müssen zwei grundlegende Voraussetzungen erfüllt sein:
Wenn Du beide Voraussetzungen erfüllst, dann kannst Du Deine Steuerschulden und Privatinsolvenz zusammen bringen.
Die Regelinsolvenz und die Verbraucherinsolvenz oder Privatinsolvenz unterscheiden sich in ihrer Ausführung, auch wenn die Unterschiede nach der Reform des Insolvenzrechts im Jahr 2014 stark angeglichen wurden.
Vorteile der Privatinsolvenz:
Laut der Insolvenzordnung (InsO) gehören auch die Schulden beim Finanzamt zu den Insolvenzforderungen. Zwar hat das Finanzamt gegenüber allen anderen möglichen Gläubigern einen bevorzugten Stand. So kann das Amt auch ohne einen Gerichtstitel eine Vollstreckung von Schulden veranlassen. Darüber hinaus erhebt das Finanzamt zeitnah Säumniszuschläge und andere Verspätungsgebühren für rückständige Steuerzahlungen. Für die Restschuldbefreiung von Steuerschulden gelten zudem weitere Einschränkungen. Dennoch fallen sämtliche Steuerarten – von der Einkommensteuer über die Umsatzsteuer bis hin zur Gewerbesteuer – unter die Restschuldbefreiung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens.
Die Restschuldbefreiung beendet den Status des Schuldners, indem die zu diesem Zeitpunkt verbliebenen offenen Forderungen auf Null gestellt werden. Die Restschuldbefreiung ist das Ergebnis des Insolvenzverfahrens, das einen Ausgleich zwischen Schuldner- und Gläubigerinteressen zum Ziel hat. Im Verfahrensablauf soll den Gläubigern ein möglichst hoher Betrag aus ihren offenen Forderungen zukommen. Zugleich soll auch der Schuldner in absehbarer Zeit wieder wirtschaftliches Handlungsvermögen erlangen.
Das Insolvenzverfahren umfasst die so genannte Wohlverhaltensphase mit einer Dauer von drei Jahren. Innerhalb dieser Zeit bezahlt der Schuldner sämtliche Einnahmen, die über seine pfändungsfreie Grundsicherung hinausgehen, an den Insolvenzverwalter. Dieser leitet die Gelder anteilig an die Gläubigern weiter. Nach Ablauf der Wohlverhaltensphase erfolgt die Restschuldbefreiung. Diese führt dazu, dass alle noch offenen Forderungen fallen gelassen werden und auch nicht mehr rechtskräftig geltend gemacht können.
Wenn Du feststellst, dass Du die Voraussetzungen für eine Privatinsolvenz erfüllst, dann gilt es, die Beschränkungen für die Restschuldbefreiung von Steuerschulden zu begutachten. Denn mit der Insolvenzrechtsreform im Jahr 2014 wurde zwar die Wohlverhaltensperiode von sechs auf drei Jahre verkürzt und damit eine Erleichterung für den Schuldner eröffnet. Doch die Versagung einer Restschuldbefreiung für Steuerschulden wurde im gleichen Zuge verschärft.
So sind seit der Reform Steuerschulden, die aus Steuerstraftaten bestehen, von der Restschuldbefreiung ausgeschlossen. Schulden gegenüber dem Finanzamt, die auf eine rechtskräftige Verurteilung im Zusammenhang mit einer Steuerstraftat zurück gehen, können nicht mehr innerhalb eines Insolvenzverfahrens bereinigt werden.
Dazu gehören:
Die Befreiung von den steuerlichen Restschulden ist auch dann vollständig ausgeschlossen, wenn innerhalb der letzten drei Jahre vor Beantragung des Insolvenzverfahrens eine Deiner Steuererklärungen falsch oder unvollständig waren.
Das Finanzamt nimmt als staatliche Behörde im Gegensatz zu privaten Gläubigern eine besondere Rolle ein. Als Behörde hat das Finanzamt eine bevorzugte Stellung, die seinen Forderungen einen höheren Anspruch verschafft.
Das Finanzamt benötigt keinen gerichtlichen Titel, um unbezahlte Forderungen vollstrecken zu können. Vielmehr gilt der Steuerbescheid als ausreichendes Dokument, um nach erfolgloser Zustellung von mehreren Zahlungsaufforderungen die Vollstreckung in Gang zu setzen. Private Gläubiger hingegen müssen zuerst einen gerichtlichen Titel über ihre Forderungen erwirken, den sie nur über ein abgeschlossenes Gerichtsverfahren erhalten. Erst der gerichtliche Titel gibt privaten Gläubigern die Möglichkeit an die Hand, einen Gerichtsvollzieher zu beauftragen, um ihre Forderungen einzutreiben. Da das Finanzamt keinen gerichtlichen Titel benötigt, um eine Vollstreckung durchzuführen, ziehen Steuerschulden innerhalb sehr kurzer Zeit rechtliche Konsequenzen nach sich, die auch mit vermehrten Kosten einhergehen.
Eine Vollstreckung durch das Finanzamt richtet sich nach einem fest vorgegebenen Ablauf, der in vier Schritten erfolgt:
Mit dem Steuerbescheid teilt das Finanzamt dem Steuerpflichtigen mit, welchen Steuerbetrag er zu bezahlen hat. In der Regel beträgt die Zahlungsfrist vier Wochen. Nach dem Verstreichen der Zahlungsfrist schickt das Finanzamt eine Zahlungsaufforderung mit einer Frist von in der Regel weiteren zwei Wochen. Verstreicht auch die zweite Zahlungsfrist erfolglos, erhält der Steuerpflichtige eine letzte Zahlungsaufforderung mit einer Frist von einer weiteren Woche. Die letzte Zahlungsaufforderung enthält zudem eine Ankündigung der Vollstreckung, wenn der Steuerbetrag nicht innerhalb der Zahlungsfrist bezahlt wird. Geht das Geld trotz der Vollstreckungsankündigung nicht beim Finanzamt ein, wird die Vollstreckung durchgeführt. Können die Steuerschulden auch beim Vollstreckungstermin nicht bezahlt werden, sollten sich Steuerpflichtige über die Möglichkeiten einer Privatinsolvenz informieren, um weitere Kosten zu vermeiden.
Das Finanzamt ist befugt, erhebliche zusätzliche Gebühren von säumigen Steuerzahlern zu verlangen. Neben dem Säumniszuschlag können Verspätungszuschläge und verschiedene Formen von Zinsen anfallen, die das Finanzamt erheben darf.
Der Säumniszuschlag fällt immer dann an, wenn Steuerpflichtige eine Steuerforderung des Finanzamts nicht rechtzeitig bezahlt. Die Fälligkeit der Steuer richtet sich nach dem Termin, an dem die Steuer festgesetzt oder angemeldet wurde. Wenn eine Steuerschuld nicht innerhalb der jeweils vorgegebenen Frist bezahlt wird, fällt ein Säumniszuschlag an. Der Säumniszuschlag beträgt ein Prozent des ausstehenden Steuerbetrages für jeden angefangenen Monat des Zeitraums, an dem die offene Forderung besteht. Der Zuschlag wird ausschließlich auf den offenen Steuerbetrag angelegt und nicht auf weitere Schulden, die durch Verspätungszuschläge oder Zinsen entstehen.
Der Verspätungszuschlag bestraft nicht eine offene Steuerschuld, sondern die verspätete Abgabe einer Steuererklärung. Wenn Deine Steuererklärung oder Voranmeldung nicht rechtzeitig zum Abgabetermin im Finanzamt eintrifft, kann die Behörde einen Verspätungszuschlag verlangen, Dieser darf zehn Prozent der Steuer sowie höchstens 25.000 Euro nicht übersteigen. Einen Verspätungszuschlag erteilt das Finanzamt nach individuellem Ermessen. Um den Verspätungszuschlag zu vermeiden, können Steuerpflichtige eine Fristverlängerung für die Abgabe ihrer Steuererklärung beantragen.
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Neben Aussetzungszinsen kann das Finanzamt Nachforderungs- und Stundungszinsen verlangen.
Zwar können Steuerschulden nach Ablauf von fünf Jahren verjähren. Die Frist für die Verjährung beginnt am Ende des Jahres, in dem die Steuerschuld entstanden ist. Doch die Verjährungsfrist wird durch verschiedene Ereignisse unterbrochen, sodass diese nach der Unterbrechung erneut von vorne beginnt. Ereignisse, die die Verjährungsfrist unterbrechen sind zum Beispiel
Da das Finanzamt in der Regel Steuerschulden sehr konsequent verfolgt und eintreibt, sollten säumige Steuerzahler keinesfalls auf eine Verjährung ihrer Steuerschulden zählen.
Steuerzahler, die mit Forderungen des Finanzamts im Rückstand sind, sollten sich umgehend mit ihrem zuständigen Sachbearbeiter in Verbindung setzen. Zwar können die Beamten keine Zugeständnisse machen und sind gehalten, die vorgeschriebenen Säumniszuschläge und Zinsen zu erheben. Dennoch kann der Kontakt zum Finanzamt dem Betroffenen helfen, seine Situation richtig einzuschätzen und entsprechend zu reagieren. Zudem ist dem Finanzamt signalisiert, dass Anschreiben nicht ignoriert werden und der Steuerpflichtige engagiert ist.
Ein Zahlungsaufschub für offene Steuerforderungen kann dabei helfen, die Schulden in den Griff zu bekommen, wenn der Betroffene über zukünftige Einnahmen in entsprechender Höhe verfügt. So kann der Rückstand zum Beispiel über eine Ratenzahlung in mehreren kleineren Schritten abbezahlt werden, wenn ausreichende Einnahmen beim Steuerzahler eingehen.
Steuerpflichtige, die keine Aussicht darauf haben, rückständige Steuerschulden in absehbarer Zeit bezahlen zu können, sollten frühzeitig eine Schuldnerberatung aufsuchen und im gegebenen Fall eine Privatinsolvenz einleiten. Denn Säumniszuschläge und Zinsen, die das Finanzamt auf offene Forderungen erhebt, führen binnen kurzer Zeit zu einer erheblichen zusätzlichen finanziellen Belastung, die zudem stetig ansteigt.