25. Sep 2018 | Gründung
Ganz schön erschreckend, als ZEIT ONLINE auf die Frage „Was verdienen Selbstständige?“ im Januar 2014 die Antwort wusste: Manche Selbstständige verdienen gerade einmal 500 Euro monatlich nach Abzug der Steuern und Abgaben – und das trotz Vollzeit. Und auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet im Zuge der Mindestlohndebatte, dass in Deutschland mehr als 1,1 Millionen Selbstständige weniger als 8,50 Euro in der Stunde verdienen.
In Deutschland gibt es ungefähr bis zu viereinhalb Millionen Selbstständige. Die Unterschiede in ihrem Einkommen sind erheblich. Viele Branchen ermöglichen gute Aufstiegschancen, während andere wenig Aussicht auf satten Wohlstand bieten. Unter den Selbstständigen finden sich daher Top-Verdiener genauso wie Unternehmer, die nur ein sehr bescheidenes Einkommen erlangen.
Meist stehen Selbstständige erst mehrere Jahre nach der Gründung auf solidem unternehmerischen Grund, genießen finanzielle Unabhängigkeit und profitieren von zahlreichen weiteren Wahlmöglichkeiten, die die Selbstständigkeit mit sich bringt. Laut der Untersuchungen des Institutes für Mittelstandsforschung IfM beträgt die Anlaufzeit nach der Gründung im Durchschnitt fünf Jahre. Danach erwirtschaften rund 2,8 Prozent der selbstständigen Unternehmer dauerhaft ein so geringes Einkommen, dass sie als Aufstocker von Arbeitslosengeld II angewiesen sind. Zirka 9,5 Prozent der Selbstständigen verdienen nach ihrer Anlaufzeit immerhin bis zu 1.100 Euro im Monat. Ob das zum Leben reicht, hängt meist von persönlichen Umständen ab, wie zum Beispiel von der Familiensituation oder den Vermögensverhältnissen.
Wie das Institut für Mittelstandsforschung IfM in seinen Publikationen zur Untersuchung von Gründungen und Selbstständigkeit feststellt, erwirtschaften die Selbstständigen im Durchschnitt einen Gewinn von knapp über 2.000 Euro. Dieses Einkommen liegt über dem Durchschnitt im Einkommen der Angestellten, das deutlich unter 2.000 Euro angesiedelt ist. Auch die Spitzenverdiener unter den Selbstständigen liegen gegenüber den Angestellten mit hohem Einkommen vorne: ungefähr 25 Prozent der Selbstständigen verdienen mehr als 2.900 Euro netto. In dieser Einkommensklasse stehen den Selbstständigen lediglich zehn Prozent der Angestellten gegenüber. Dahingegen erzielen rund zehn Prozent der Selbstständigen ein Einkommen, das über 4.500 Euro netto beträgt.
Selbstständige müssen sich finanzielle Polster aufbauen, um sich sozial abzusichern, während Angestellte Anspruch auf Sozialleistungen haben. So müssen sich Selbstständige ihre Versorgung im Alter selbst erwirtschaften, während sie auch die Risiken von Wirtschaftskrisen und Einkommenseinbußen alleine zu tragen haben. Auch erhalten Selbstständige keine Lohnfortzahlung im Falle einer Erkrankung und auch kein Urlaubsgeld für die notwendige Erholung. Während Angestellte ihren Anspruch auf die gesetzlichen Sozialleistungen bereits relativ kurz nach Antritt des Arbeitsverhältnisses erlangen, tragen Selbstständige das Risiko der finanziellen Versorgung im Bedarfsfall fortwährend alleine. Aus diesem Grund müssen die ermittelten Einkommenszahlen auch in den Bereichen der höheren Einkommen von Selbstständigen unter dem Risikoaspekt von Arbeitsausfällen beurteilt werden.
Die besten Chancen auf ein gutes bis zumindest ausreichendes Einkommen haben selbstständige Akademiker aus bestimmten Berufsgruppen, die freiberuflich arbeiten. Die besten Verdienstmöglichkeiten für Selbstständige bieten Berufe im Gesundheitswesen, in der Veterinärbranche und im Sozialbereich. Dahingegen bieten die Branchen Handel, Gastronomie und Transport nur beschränkt Möglichkeiten zur Erwirtschaftung von hohen Gewinnen. Gerade Kioskbetreiber, kleine Gastwirte oder Ladenbetreiber haben mit dem Strukturwandel in Gesellschaft und Wirtschaft zu kämpfen. Doch auch in den Dienstleistungsbranchen verdienen Selbstständige nur mittelmäßig bis wenig. Vor allem unter den Kulturschaffenden, Journalisten und Erziehern sind besonders viele Selbstständige zu finden, die nur ein bescheidenes Einkommen erzielen. Wenig Aussicht auf hohe Einkommen haben Selbstständige in klassischen Handwerksbranchen wie Friseure oder Schneider. Eine gute Ausbildung ist leider keine Garantie für gute Einkünfte: 22 Prozent der akademischen freien Berufe (Anwält/-innen, Architekt/-innen, Journalist/-innen …) verdienen weniger als die 8,50 Euro, die ab 2015 gesetzlicher Mindestlohn sein sollen.
Das Institut für Mittelstandsforschung sieht in der schwierigen Einkommenssituation von Selbstständigen vor allem zwei zentrale Gründe:
Der wirtschaftliche Strukturwandel hat dazu geführt, dass vor allem große Unternehmen in Bereiche vorgedrungen sind, die noch vor einigen Jahrzehnten durch Selbstständige besetzt waren. Als besonders augenfälliges Beispiel hierfür gilt das Sterben der kleinen Lebensmittelläden, von familiengeführten Traditionsbäckereien oder lange ansässigen Modegeschäften. Große Konzerne verdrängten die kleinen Unternehmer durch ein riesiges Warenangebot zu kleinen Preisen. Die günstigen Bedingungen der Großunternehmen stehen den Selbstständigen nicht zur Verfügung. Auch der gesellschaftliche Wandel mit seinen veränderten Ansprüchen führt fortlaufend dazu, dass sich die Nachfrage nach zahlreichen Waren und Dienstleistungen stark verändert.
Den Ruf nach Unterstützung von Selbstständigkeit durch den Staat sieht das IfM kritisch. Denn eine staatliche Unterstützung für Selbstständige behebt nicht die zentralen Ursachen, die oftmals zu der prekären Einkommenssituation führen. Das IfM erachtet daher einen Eingriff des Staates grundsätzlich als kontraproduktiv. Staatliche Unterstützung führt zur Stagnation, indem der Selbstständige vor allem die Vorgaben einer staatlichen Behörde zu erfüllen hat. Auf dem freien Markt müssen Selbstständige dagegen nach alternativen Strategien suchen, um die Nachfrage zu erhöhen und ihre Ware oder Dienstleistung mit einer guten Preisgestaltung an den Kunden zu geben.
Selbstständige müssen zudem sehr flexibel agieren und sich jederzeit auf die Erfordernisse des Marktes einstellen. So müssen Kundenwünsche ernst genommen, Neuerungen aufgegriffen und Anpassungen umgesetzt werden, um die Wettbewerbsfähigkeit stetig zu verbessern. Selbstständige müssen zudem besonders darauf achten, ihr Alleinstellungsmerkmal aufzubauen, zu pflegen und stetig zu erneuern und ihre Preisgestaltung individuell anzupassen.
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